Brandenburg: Berliner Ponyexpress
Man kann sich nur vorstellen, mit welcher Abgeklärtheit der Fahrer vorn im Zug den jüngsten Fall von S-Bahnchaos kommentierte: „Bitte mit dem Pferd nicht in den ersten Wagen“, wird er über den Lautsprecher geschnauzt haben, als am Donnerstag ein junges Mädchen mit einem waschechten Pony einstieg.Ob er das wirklich gesagt hat, ist kaum noch zu klären.
Stand:
Man kann sich nur vorstellen, mit welcher Abgeklärtheit der Fahrer vorn im Zug den jüngsten Fall von S-Bahnchaos kommentierte: „Bitte mit dem Pferd nicht in den ersten Wagen“, wird er über den Lautsprecher geschnauzt haben, als am Donnerstag ein junges Mädchen mit einem waschechten Pony einstieg.
Ob er das wirklich gesagt hat, ist kaum noch zu klären. Auch warum das Mädchen das Pony mit sich führte, muss reine Spekulation bleiben. Denkbar ist, dass sie ob der Witterungsverhältnisse für S-Bahn-Pannen gewappnet sein wollte. Im Notfall hätte sie dann nach Hause reiten können. Unklar ist auch, wie das Pony es angesichts vereister oder matschiger Treppen und chronisch überfüllter Aufzüge überhaupt auf den S-Bahnsteig schaffen konnte. Die Deutsche Bahn würdigte diese Leistung keineswegs: Sie fand das Tier im Waggon gar nicht gut und drohte mit Hausverbot für die Halterin. Ein Pony mitzuführen entspreche nicht den Beförderungsrichtlinien. Bundespolizei und DB-Sicherheit wurden über den „Vorfall“ informiert. Sicher wird gerade mit Hochdruck nach dem Vierbeiner gefahndet. Denn wie ein Bahnsprecher betonte, sei die Gefährdung von Passagieren einfach zu groß. Halterin und Pony befinden sich sozusagen momentan noch auf der Flucht, sollen sich aber wegen der erhöhten Alarmbereitschaft bei der Bahn ein Taxi geteilt haben.
Die Berliner störten sich übrigens nicht an dem haarigen Fahrgast. Nur ein englischsprachiger Tourist stellte ein Handyvideo davon ins Netz. „Ich glaube, die haben mir etwas in den Glühwein gemischt“, kommentierte der Amateurfilmer später sein Video entgeistert. Darin sind auch die anderen Fahrgäste zu sehen, die das Pony keines Blickes würdigen. Einige schieben sich routiniert an dem Tier vorbei. Andere lesen weiter in ihren Büchern. Warum sollten sie sich auch aufregen? Ein Pony schlägt einem nicht mit der Trompete die Zähne aus, wenn es kein Trinkgeld kriegt. Ein Pony grölt auch nicht „Kreuzberger Nächte sind lang“, wenn es besoffen nach Hause fährt. Es steht nur da und hält das Maul. So, wie man Fahrgäste eben im Grunde gerne hätte.
Sidney Gennies wünscht sich mehr Fahrgäste, die wie Pferde sind
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: