Brandenburg: Berliner S-Bahn schafft es nicht bis in die Werkstatt
Zugausfälle vor allem wegen eingefrorener Weichen / Netz-Tochter der Bahn kassiert Rekordgewinne
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Berlin - Die Berliner S-Bahn ist auf schönes Wetter angewiesen. So etwa lautet das Fazit der Pressekonferenz, auf der S-Bahn-Chef Peter Buchner am Montag die Ursachen des aktuellen Desasters zu erklären versuchte. Am Montag fuhren die Züge auf fast allen Linien nur mit geringerer Wagenzahl, verlängerten Takten und teilweise auf verkürzten Strecken. Während dieses Minimalprogramm am Montag halbwegs stabil funktionierte, geriet auf dem Ring wieder alles durcheinander – wegen der dritten Signaltechnikstörung binnen acht Tagen.
Nach Buchners Darstellung ist das System durch die vielen zusätzlichen Prüf- und Wartungsvorschriften nach den früheren Pannen inzwischen so fragil, „dass es bei externen Schocks kollabiert“. Wegen mehr als 50 eingeschneiter Weichen hätten am Donnerstagmorgen 37 von 440 einsatzbereiten Doppelwagen gar nicht erst losfahren können. Andere Züge erreichten die Werkstätten nicht mehr, in denen beispielsweise seit Oktober täglich der Bremssand aufgefüllt werden müsste. Schon Freitag früh mussten deshalb 62 Doppelwagen auf Abstellgleise überall im Netz. Übers Wochenende sei dieser Stau weiter gewachsen, sodass Montag früh nur 320 Doppelwagen einsatzbereit waren. In den nächsten Tagen sollen jeweils etwa 20 dazukommen, sodass nächste Woche wieder der alte Notfahrplan gelten soll – „unter der Prämisse, dass nichts Außergewöhnliches passiert“. Schon für Mittwoch erwartet der Wetterdienst Meteogroup allerdings einige Zentimeter Neuschnee.
Während die Wartungsauflagen für die aktuelle Flotte der S-Bahn unvermeidlich sind, gab Buchner zu, dass mit mehr Personal auch mehr Weichen vom Schnee hätten befreit werden können. Die Weichen gehören der Bahntochter DB Netz. Sie gehörte zuletzt bundesweit zu den gewinnträchtigsten Sparten des Konzerns, allein zwischen Januar und Ende Juni lag der operative Gewinn bei 237 Millionen Euro. Zugleich wird in dem Bereich seit Jahren ein Sparkurs gefahren, auch mit Blick auf eine mögliche Privatisierung.
Ein Sprecher des Unternehmens wies den Vorwurf zurück, die Probleme resultierten aus Sparvorgaben. Zum Schneeräumen auf dem S-Bahn-Netz habe man 118 Kräfte sowie 44 Leute zur Sicherung eingesetzt – „genauso viele wie in den vergangenen Jahren“. DB Netz gibt dem Wetter die Schuld am Chaos: „Es hat heftig geschneit, hinzu kam der Wind, der die Weichen immer wieder zugeweht hat.“ Die Weichenheizungen hätten funktioniert, seien aber mit der Schneemenge nicht fertiggeworden. Die S-Bahn fügte hinzu, in den Werkstätten stünden Personal und Material bereit – nur eben unerreichbar für die Züge, wenn sich Weichen nicht stellen lassen.
Der Verkehrsclub VCD und der Verkehrsverbund VBB forderten, dass das Land die Infrastruktur vom Bund übernimmt, weil den nicht die Qualität interessiere, sondern nur der Gewinn von DB Netz. Ein Sprecher von Verkehrssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) sagte: „Noch lieber als ein Kauf des Netzes wäre, wenn Herr Ramsauer sich stärker um die Qualität dieses Netzes kümmern würde.“ Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) wollte sich auf Anfrage nicht äußern. Beim Eisenbahn-Bundesamt hieß es, man sehe die Sicherheit bei der S-Bahn durch möglicherweise zu wenig Personal nicht gefährdet.
Erik Schweickert, verbraucherpolitischer Sprecher der FDP im Bundestag, forderte die Bahn auf, die Kunden der S-Bahn mit einem weiteren Freimonat zu entschädigen. „Abo-Kunden sollten nicht nur im November und Dezember, sondern auch im Januar kostenlos fahren können“, sagte er dieser Zeitung. brö/hej/obs
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