Brandenburg: „Berliner sind nicht so gestresst wie New Yorker“
Die Stadt und ihre Bewohner im Fußball-Rausch – was denken eigentlich Touristen darüber?
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Wir ernähren uns von Bier und Wurst, tragen Lederhosen und sind ziemlich sauertöpfisch. Oder? Unsere WM-Gäste können sich heute ausruhen. Zeit mal nachzufragen, was sie wirklich über uns den- ken.
Alex Winstunley (22), Engländer: Vor der Fußballweltmeisterschaft haben alle Engländer gesagt: Deutschland? Was für ein langweiliger Standort für eine WM! Das Vorurteil: Die Deutschen können keinen Spaß haben. Mein Bild der Deutschen ist ganz anders, weil ich Deutsch studiere und Berlin kenne. Die Atmosphäre hier ist sehr europäisch, alle sind so „chilled“. Es gibt nur eine Lösung: Die Engländer müssen mal Urlaub hier machen.
Brian Macdonald (23), Kanadier: Endlich kann ich sehen, was ich bislang nur aus Büchern kannte: Ich habe Geschichte studiert. Dass Deutsche unfreundlich sind, ist doch ein Stereotyp aus Film und Fernsehen. Viele meiner Freunde in Vancouver haben einen deutschen Hintergrund, Klischees spielen für mich daher keine Rolle. Und auf der Fanmeile ist sowieso egal, wer welche Nationalität hat: Alle feuern alle an.
Murillo Tatagiba (40), Brasilianer: Ich hätte nicht gedacht, dass die Deutschen so gut organisiert sind. Die Fanmeile ist vergleichbar mit Disney-World. Und obwohl es so voll ist, gibt es keinen Ärger. Leider können die meisten schlecht Englisch. Sie verständigen sich mit Händen und Füßen und können meistens nicht weiterhelfen. Und das in einer großen Stadt wie Berlin, ausgerechnet zur WM.
Natasha Vlahos (22), Australierin: Ich bin erstaunt, wie toll die Atmosphäre in Berlin ist. Anders als in London, wo ich studiere. Hier ist alles grün, es gibt viel Platz zum Spazierengehen! Und es spricht für die Deutschen, dass alle ohne Stress miteinander feiern. Auf der Fanmeile haben sie die anderen Fans sogar getröstet.
Pau Valero (24), Spanier: Mich erstaunt, dass es hier zur WM nicht mehr Verkehr gibt und alles sauber ist. Ich dachte vor der Reise noch, dass die Deutschen überkorrekt sind und keinen Spaß vertragen, aber das hat sich erledigt. Die Stimmung in der Stadt ist super, die Deutschen feiern mit allen. Es gibt einen richtigen Kulturaustausch.
Ruth Wagner (55), Costa Ricanerin: Ich liebe Berlin, vor allem die Bratwürste und das Bier. Seit meinem letzten Besuch kurz nach dem Mauerfall hat sich viel verändert: Die Stadt ist moderner, die Leute viel offener. Man muss nur nach dem Weg fragen und schon kann man sich richtig festquatschen – auch, wenn viele nicht gut Englisch sprechen. Ich bin jetzt absolut fest überzeugt: Dank der Weltmeisterschaft wird sich am Bild von Deutschland einiges ändern.
Ronan O“Sullivan (22), Ire: Ehrlich: Ich bin positiv überrascht. Berlin ist die Stadt, die nie schläft! Ob“s nur am guten Wetter und an der Fußballeuphorie liegt, dass alle so nett sind? Eine Deutsche hat mir neulich erzählt, dass sonst niemand schwarz-rot-goldene Flaggen hisst. Ich bin also hier und sehe, dass sich für Deutschland etwas Historisches ereignet – das ist unvergleichlich.
Henry Hasemann (43), US-Amerikaner: Meine Eltern haben sich in Deutschland kennen gelernt. Deshalb hatte ich auch noch nie Probleme mit den Deutschen, sie haben Humor. Und: Die Berliner sind nicht so gestresst wie die New Yorker. Trotz WM. Ich bin dafür, dass Deutschland Weltmeister wird.
Aufgezeichnet von Anne Haeming und Lisa Garn
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