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Brandenburg: Berlins Brennpunkte – es wird schlimmer

Senatsstudie: Quartiere mit sozialen Problemen fallen weiter zurück, den besseren Gegenden geht es dagegen immer besser

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Berlin - Jedes dritte Kind lebt in Berlin an der Armutsgrenze, weil es aus einem Haushalt stammt, der nicht ohne staatliche Hilfen auskommt. Außerdem verschärft sich zunehmend die soziale Lage in Berliner Problemquartieren. Die sozialen Brennpunkte der Stadt nehmen zu. Das geht aus dem Bericht „Monitoring Soziale Stadtentwicklung“ hervor, den die Berliner Senatorin für Stadtentwicklung, Ingeborg Junge-Reyer, gestern vorstellte.

Allerdings gibt es auch gute Nachrichten. Der leichte Aufschwung am Arbeitsmarkt erreicht auch schlecht qualifizierte Menschen in problematischen Stadtteilen wie Kreuzberg – sogar die Langzeitarbeitslosen. Demnach nahm die Arbeitslosigkeit in fast allen problematischen Stadtquartieren der Stadt ab.

Zu den sozialen Brennpunkten heißt es in dem von der Humboldt-Universität erarbeiteten Bericht: „In keinem Gebiet mit einem niedrigen oder sehr niedrigen sozialen Status hat sich eine positive Entwicklungsdynamik gezeigt.“ Eine positive Dynamik ist nur in Quartieren zu erkennen, in denen es ohnehin wenig soziale Probleme gebe. In Berlin finde eine Polarisierung der Quartiere statt. Bewertet wird die soziale Lage anhand der Zahl der Arbeitslosen und der Empfänger von Sozialleistungen, anhand des Anteils ausländischer Kinder sowie der Zahl von Kindern aus Haushalten, die staatliche Hilfen zur Existenzsicherung bezogen.

Hartmut Häußermann, von der Humboldt-Universität verglich die Entwicklung in Berlin mit der in Großstädten wie London oder Paris. Dort seien Menschen mit wenig Einkommen von gut verdienenden Berufstätigen an die Peripherie verdrängt worden. In Berlin nehmen die sozialen Probleme in Hochhaussiedlungen, wie die Gropiusstadt oder das Falkenhagener Feld zu. Dort habe die Arbeitslosigkeit unter Ausländern ebenso zugenommen wie der Anteil von ausländischen Jugendlichen und Kindern. Diese Entwicklung sei deshalb besonders problematisch, weil die Zahl der Kinder mit Migrationshintergrund in der Stadt überproportional zunehme. Diese lebten aber oft in Gebieten mit besonders vielen sozialen Problemen. Das erschwere zudem den Einstieg in Ausbildung und Beruf.

Nach der Studie öffnet sich die Schere zwischen den wohlhabenden Stadtteilen mit positiver Dynamik und den stagnierenden Quartieren mit großen sozialen Problemen in Berlin immer weiter. Allerdings verlagern sich die Brennpunkte: Während einige Gebiete des traditionell „schwierige“ Stadtteils Kreuzberg von dem leichten Aufschwung am Arbeitsmarkt etwas profitierte, verschärft sich die Lage trotz guter Konjunktur in Wedding, Neukölln und Tiergarten.

Zu den bereits seit Jahren problematischen Gebieten kommen neue Quartiere hinzu: In Spandau sind nicht länger nur die Großsiedlungen von der Abwärtsspirale erfasst, sondern auch die Altbaubereiche. Außerdem gibt es „eine Zunahme der Problemdichte in Neukölln-Britz, im nördlichen Wedding und im südlichen Reinickendorf“, heißt es in dem Bericht „Monitoring Soziale Stadtentwicklung 2007“ des Senats.

Aus diesen und weiteren Merkmalen haben die Wissenschaftler ein „Ranking“ der Berliner Quartiere gemacht. Ganz hinten sind gleich mehrere Weddinger Quartiere zu finden: Der Kiez Soldiner Straße, die Reinickendorfer Straße und der Humboldthain. Ganz unten außerdem zu finden: die Putlitzsstraße in Moabit und in Kreuzberg der Mehringplatz sowie der Mariannenplatz.

Eine sehr gute Entwicklung nehmen dagegen durchweg nur Quartiere aus den bevorzugten Wohngebieten Berlins: Hohengatow in Spandau zum Beispiel, die Flottenstraße in Westend, das Gebiet Müggelheim oder die Straße Alt-Biesdorf im gleichnamigen Kiez

Der Bericht hebt auch wachsende soziale Probleme im Bezirk Marzahn-Hellersdorf hervor. Dort bestehe ein dringender „Interventionsbedarf“. Schwierig sei die Lage auch in Wedding, Neukölln und Moabit. Viele dieser Gebiete unterliegen bereits dem Quartiersmanagement. Dennoch sind dort noch keine deutlich positive Entwicklungen zu erkennen.

Mehr als die Hälfte der 319 Berliner „Verkehrszellen“ werden von dem Team der Humboldt-Universität um Hartmut Häußermann einem mittleren Status zugeordnet. Die Dynamik dieser Gebiete entwickle sich auch durchschnittlich. Dies zählt ebenso zu den guten Nachrichten der Untersuchung wie die positive Entwicklung in den bevorzugten Wohnlagen: „Diejenigen Gebiete mit einem bereits hohen sozialen Status weisen überwiegend eine positive Dynamik auf“, heißt es in dem Bericht. Die Dichte sozialer Probleme nehme dort also weiter ab, obwohl sie bereits sehr niedrig sei.

Dies ist die eine Seite der Polarisierung innerhalb der Stadt: „Innerhalb des Stadtraums zeichnen sich Teilräume ab, die immer weiter prosperieren, während andere, benachteiligte Quartiere eine Verschlechterung der sozialen Situation aufweisen“, bilanziert die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Senatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) erklärt diesen anhaltenden Prozess als „Folge der Teilung der Stadt“. Berlin hole damit die Entwicklung anderer Großstädte nach.

Bei der Vorstellung der Studie machte die Senatorin deutlich: „Der Ort, an dem ein Kind aufwächst, darf nicht über den Zugang zu Bildung und Ausbildung entscheiden.“ Es gelte der „Ausgrenzung so früh wie möglich zu begegnen“. Der Senat prüfe deshalb, ob weitere Teile Berlins durch Sozialarbeiter im Rahmen des so genannten Quartiersmanagement begleitet werden sollen. Eine kräftige Aufstockung der Mittel ist dem Vernehmen aber nicht geplant.

Derzeit werde geprüft, ob in Teilen von Reinickendorf ein weiteres zu den 33 bestehenden Gebieten hinzukommen und von Sozialarbeitern begleitet werden solle, sagte Junge-Reyer. Entsprechende Gespräche liefen bereits mit dem Bezirk. Dasselbe gelte für die Großsiedlungen Falkenhagener Feld und Gropiusstadt. Dort sei eine Begrenzung der Mieterhöhungen in den Wohnungen der städtischen Gesellschaften geplant, um den Fortzug von Familien aus der Mittelschicht aufzuhalten.

Darüber hinaus gelte es, „Bildung, Ausbildung und den Zugang zur Ausbildung“ in den problematischen Quartieren zu verbessern. „Wir müssen der Ausgrenzung so früh wie möglich begegnen“, sagte Junge-Reyer. Als Beispiele für die in Kreuzberg angewandten Maßnahmen führte sie die „Bildungsoffensive Wrangelkiez“ auf. Diese bestand darin, Schülern der 9. und 10. Klassen professionelle Unterstützung und Beratung bei ihrer Suche nach einem Praktikum oder einem Ausbildungsplatz anzubieten.

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