POSITION: Bewegt Euch, beide!
Plädoyer für einen Kompromiss bei der Tierhaltung Von Marco Hintze
Stand:
Vieles, was die Volksinitiative gegen Massentierhaltung in die Gesellschaft reingetragen hat, wirkt auf mich als Landwirt befremdlich. Ich werde doch keine Tiere quälen, von denen ich Leistung erwarte – in meinem Fall gesunde Kälber und hohe Tageszunahmen. Dass ich sie enthorne, mache ich nicht aus Spaß – ein kurzer Schmerz, dafür kann ich sie danach ohne Verletzungsgefahr im artgerechten Laufstall halten. Auch vergifte ich mit Mist und Gülle nicht meine Felder, sondern ich dünge sie – und wie fast alle Landwirte in Brandenburg muss ich sehr sorgsam damit umgehen, weil der wertvolle organische Dünger Mangelware ist, seitdem nach der Wende überall die Viehbestände abgebaut wurden. Und vor allem: was ist Massentierhaltung? Bin ich mit meinen rund 300 Rindern noch ein guter Bauer – ab 301 wäre ich ein böser Agrarindustrieller?
Die starrsinnige Abwehrhaltung, in der der Landesbauernverband und die ihm hörige Landesregierung verharren, kann ich inzwischen allerdings genauso wenig nachvollziehen. Auch wenn bei der Volksinitiative viel Ahnungslosigkeit, bei einigen Akteuren gar Böswilligkeit im Spiel ist, kann man bei mehr als 100 000 Unterschriften gegen Massentierhaltung nicht einfach so tun, als ginge das die Landwirtschaft und vor allem die Tierhalter nichts an. Auch wird die Parole „Wir machen Tierwohl“ nicht wirklich davon ablenken, dass das gesellschaftliche Unbehagen gegen Massentierhaltung in einem Zusammenhang mit Tiermassen steht. Im Gegenteil: Nach meiner Einschätzung haben gigantische Mastanlagen mit hohen Tierkonzentrationen an einem Standort in vielen Regionen erst den Widerstand mobilisiert, dem die Volksinitiative ihre bisherigen Erfolge verdankt.
Für die Landwirtschaft wäre es ein Segen, würde die Diskussion wieder auf eine sachliche Ebene zurückgeführt und dabei die fachliche Kompetenz des Landwirtes in der Tierhaltung anerkannt. Auf der anderen Seite muss der Berufsstand endlich eingestehen, dass sehr viele Tiere an einem Standort mit Problemen für Anwohner und Umwelt verbunden sind. Als Bauernbund treten wir daher für einen Kompromiss ein.
Entscheidender Ansatz dafür ist aus unserer Sicht eine Änderung des Baugesetzbuches. Das Bauen im Außenbereich ohne kommunale Bauleitplanung ist ein landwirtschaftliches Privileg. Es hat seine Begründung darin, dass Tierhaltung zum Leben auf dem Land dazu gehört und von den Dorfbewohnern akzeptiert werden muss. Der Gesetzgeber hat ganz bewusst gesagt: Wenn der Landwirt sich dabei an alle Gesetze und Regeln hält, kann ihm die Gemeinde das Bauen nicht verwehren. Er hat im Falle möglicher Konflikte auf dem Lande – die gab es immer schon – zulasten der Anwohner und zugunsten einer leistungsfähigen Landwirtschaft entschieden. Was wir nun erleben ist, dass einzelne Landwirte den Bogen überspannen. Was bei 1000 Schweinen von niemandem in Frage gestellt wurde, soll ganz selbstverständlich bei 10 000 Schweinen auch noch gelten, ebenso bei den bald 100 000 Schweinen, die ein Holländer im Spreewald halten will. Den Dorfbewohnern in der Nähe einer solchen Anlage ist es aber in der Regel völlig gleich, wie Tierwohl, Futterfläche, Emissionsschutz, Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen geregelt sind. Für sie ist die unmittelbare Nachbarschaft so vieler Tiere einfach keine Bereicherung des Dorflebens, sondern eine Verschlechterung von Lebensqualität. Sie können nicht begreifen, dass für ein paar Wohnhäuser ein Bebauungsplan aufgestellt werden muss und für Mastanlagen von der Größe einer Kleinstadt nicht. Und ehrlich gesagt: Wäre ich betroffen, ich würde mich genauso dagegen wehren.
Unser Kompromissvorschlag: Es gibt bereits eine gesetzliche Grenze, die nur sehr wenige Landwirte betrifft. Ab 3000 Schweinen oder 85 000 Hähnchen ist schon heute eine Umweltverträglichkeitsprüfung vorgeschrieben. Warum können wir nicht diese Grenze verstärken, indem bei größeren Stallbauvorhaben die Gemeinde über die Aufstellung eines Bebauungsplanes entscheiden muss und das Land keine Investitionsförderung mehr ausreicht? Damit wären gigantische Mastanlagen nur noch sehr schwer zu realisieren, aber die vielen normalen Tierhalter in Brandenburg könnten vernünftig weiter wirtschaften wie bisher.
Deshalb unser Appell an Volksinitiative und Landesregierung: Bewegt Euch! Beendet die ideologischen Grabenkämpfe, die am Ende nur uns Bauern schaden. Mit den Grenzen der Umweltverträglichkeitsprüfung könnten die selbständigen Landwirte und auch die meisten Agrargenossenschaften leben. Verbraucher, die sich besonders für die Tierhaltung interessieren, kaufen regional oder im Bioladen ein oder halten selber ein paar Hühner, das fände ich klasse. In den Dörfern kehrt wieder Frieden ein und wir könnten in Ruhe das machen, wozu wir Lust haben: nämlich Tiere halten und gute Lebensmittel erzeugen, ohne dass wir uns ständig dafür rechtfertigen müssen.
Marco Hintze (43), Landwirt aus Groß Kreutz (Havel), bewirtschaftet einen Hof mit Ackerbau, 80 Mutterkühen und 150 Mastrindern, und ist seit Februar Vorstandsmitglied im Bauernbund Brandenburg.
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