Brandenburg: Bis zu 230 000 Euro im Jahr aus der Staatskasse
Oft haben gerichtlich eingesetzte Betreuer in Brandenburg deutlich mehr Klienten als empfohlen. Die Kosten haben sich vervierfacht
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Potsdam - Sie helfen bei Bankgeschäften, passen auf, dass die Miete gezahlt wird, oder erledigen den Briefwechsel mit der Krankenkasse – Im Schnitt 90 000 Euro pro Tag hat Brandenburg 2011 für die Bezahlung rechtlicher Betreuer ausgegeben. Was die gerichtlich eingesetzten Vertreter für ihre zum Teil psychisch kranken Klienten leisten, weiß aber keiner so genau. Das zumindest geht aus einem Bericht des Landesrechnungshofes (LRH) hervor. Die Zustände sind aus Sicht von LRH-Präsident Christoph Weiser zum Teil besorgniserregend. Nicht nur hätten sich die Betreuungskosten seit 2000 mehr als vervierfacht, auch hätte im Land keiner mehr den Überblick, „für wie viele Klienten die Betreuer jeweils zuständig sind“, kritisierte Weiser am Donnerstag.
Für die Studie hat der LRH die Vorgänge an sechs der 24 Amtsgerichte und den jeweiligen Betreuungsbehörden der Kreise aus dem Jahr 2011 untersucht. Im Ergebnis stellt der LRH fest, dass sich die enorm gestiegenen Kosten zwar auf eine ebenfalls gestiegen Zahl von Betreuungsfällen zurückführen lässt, dass sich dies aber, anders als von der Landesregierung behauptet, nicht nur auf den demografischen Wandel zurückführen lasse. Während die Zahl der über 65-Jährigen in Brandenburg in den vergangenen zehn Jahren nur um fünf Prozent gestiegen sei, hätte die Zahl der Betreuungen um fast 24 Prozent zugelegt. Weiser hält vielmehr auch Kontrolldefizite zwischen den Betreungsbehörden und den zuständigen Amtsgerichten für verantwortlich. „Die Behörde macht einen Vorschlag und dem wird zu 99,9 Prozent an den Gerichten stattgegeben. Es wird zu wenig geprüft, ob nicht vielleicht ein anderes günstigeres Beratung- oder Hilfssangebot reichen könnte“, so Weiser. Ein Grund sei auch die angespannte Personalsituation an den Gerichten.
Verstärkt wird die Kostenexplosion laut Bericht auch durch den Umstand, dass es immer weniger ehrenamtliche Betreuer gibt und die hauptberuflichen Betreuer in Einzelfällen offenbar aus Verdienstgründen weit mehr Fälle übernehmen als empfohlen. In einem Fall wird von einer Betreuerin berichtet, die am Jahresende auf eine Vergütung von 230 000 Euro gekommen sein soll. Dafür betreute sie nachweislich mindestens 140 Personen, hatte also pro Monat gerade einmal 1,2 Stunden Zeit für jeden Klienten. Der Bund aber gehe von einem notwendigen Betreuungsaufwand von zwei bis sieben Stunden im Monat aus – je nach den Umständen, heißt es in dem Bericht. Zudem gelten 50 Betreuungen pro Betreuer gerade noch als machbar, so LRH-Präsident Weiser. „Viele Betreuer haben viel zu viele Fälle. Einen genauen Überblick gibt es nicht. Das muss geändert werden.“
Dass Verbesserungen notwendig sind, weiß man auch im Justizministerium. „Die Eindämmung der Betreuungskosten ist ein vorrangiges Ziel“, heißt es in einer Stellungnahme. Wie der Landesrechnungshof hält auch Jusitzminister Volkmar Schöneburg (Linke) die Schnittstelle zwischen kommunaler Sozialbehörde und Gericht für ein wesentliches Problem. „Nur wenn Organisations- und Kostenverantwortung vom selben Verantwortungsträger wahrgenommen werden, kann sichergestellt werden, dass der Grundsatz des Vorrangs der anderen Hilfen gewahrt und eine rechtliche Betreuung nicht vorschnell eingerichtet wird“, heißt es weiter. Über die Erklärung hinaus wollte man sich aber nicht äußern.
Vorwürfe kommen auch aus der Opposition. Monika Schulz-Höpfner, Familienexpertin der CDU-Landtagsfraktion, bezeichnete die Erkentnisse als erschreckend. „Die Landesregierung weiß nicht wirklich etwas von dem, was im Land passiert.“ Das sieht Grünen-Abgeordnete Sabine Niels ähnlich. Allerdings sei der Vorschlag des Rechnungshofes, um Geld zu sparen mehr ehrenamtliche Betreuer einzubinden, eine Unverschämtheit. Wegen der immer komplexeren Rechtslage sei die Betreuung für Ehrenamtliche gar nicht mehr zu schaffen, so Niels. FDP-Fraktionschef Andreas Büttner fordert Veränderungen: „Wir brauchen eine Reform.“
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