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Paradiesisch. Segelboot auf der Havel bei Kladow in Berlin.

© Stephanie Pilick dpa/lbn

Brandenburg: Blaues Paradies mit kleinen Makeln

Brandenburgs Wassersportreviere sind beliebt, doch beim Service gibt es noch Defizite. Zudem führt der zunehmende Schiffs- und Bootsverkehr zu mehr Unfällen

Von Matthias Matern

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Potsdam - Am Himmel kreist ein Seeadler, am Ufer verschwindet ein Biber im Unterholz – wegen seines Artenreichtums und seiner zahlreichen naturbelassenen Flüsse und Seen ist das Land Brandenburg ein beliebtes Ziel für Wassersportler. Motorbootfans schätzen das Angebot für führerscheinfreies Fahren, Kanuten die schilfbestandenen Flussläufe und Segler die großen Seen. Seit Jahren wirbt das Land in Deutschland aber auch international mit seinem Wasserreichtum. Mehr als 3000 Seen und 2500 Kilometer Wasserstrecke hat das Land zu bieten. Doch trotz erheblicher Investitionen in die Infrastruktur gibt es im brandenburgischen Teil des „blauen Paradieses“, wie die landeseigene Tourismus Marketing Brandenburg GmbH (TMB) das länderübergreifende Wassersportrevier im Nordosten Deutschlands nennt, noch einiges zu tun. Einer Umfrage zufolge fehlt es noch an Anlegestellen, einer guten Beschilderung und Serviceeinrichtungen.

Vor drei Jahren haben die Touristiker des Landes Wassersportler in allen sieben Revieren Brandenburgs befragt. Mehr als 2000 Interviews wurden geführt. Zwar wurde der Gesamteindruck der märkischen Reviere mit 1,2, also „sehr gut“, benotet, doch wurde auch Nachholbedarf bei der Infrastruktur angemahnt. „In diesem Punkt sind wir längst noch nicht konkurrenzfähig mit anderen europäischen Revieren“, meint auch Armin Buchardi vom Yachthafen Potsdam. Rund 200 Freizeitboote liegen an Buchardis Stegen. Immer wieder würden ihm Wassertouristen berichten, dass vor allem kommunale Wasserrastplätze in schlechtem Zustand seien. „Toiletten sind total verdreckt, Duschen zerstört“, berichtet Buchardi. Eigentlich müssten solche Serviceeinrichtungen bewacht werden, doch dafür fehle vielen Kommunen das Geld. Auch gebe es anders als in Berlin im Land Brandenburg keine einzige kommunale Fäkalienentsorgungsanlage. Es sei ein offenes Geheimnis, dass die Abwässer oftmals einfach in die Seen und Flüsse entsorgt würden, sagt der erfahrene Yachthafenbetreiber.

Dass Handlungsbedarf besteht, weiß man auch in der Landesregierung. 2009 wurde deshalb ein landesweiter Wassersportentwicklungsplan zusammengestellt, der die anstehenden Aufgaben bündelt. „Für motorisierte Sportboote gibt es bezüglich Bootstankstellen und Fäkalienentsorgung noch punktuelle Versorgungsengpässe“, heißt es dort etwa. Und: „Die Erfahrung hat allerdings gezeigt, dass die (Anm. d. Red.: vorhandenen) Anlagen nur selten genutzt werden – die zahlreichen kleinen und mittelgroßen Motor- und Segelboote, die im Zweifel zwar über Fäkaltanks verfügen, diese aber je nach Bedarf direkt in die Gewässer einleiten.“ Auch Dirk Wetzel von der TMB räumt noch Optimierungsbedarf ein. „Es gibt Fäkalienentsorgungsanlagen. Aber nur bei den privaten Marinas.“ Gezeigt habe die Umfrage aber auch, dass sich dieWassersportler mehr Anlegestellen außerhalb von Ortschaften wünschen. „Dort, wo es schön ist“, erläutert Wetzel.

Offensichtlich tun die kleinen Makel dem Geschäft jedoch keinen Abbruch. Wie Pilze schießen landesweit neue Yachthäfen aus dem Boden, lassen sich Kanuverleiher und Anbieter von Charterbooten an den Flüssen nieder. Derzeit wird in Brandenburg von wenigstens 65 Marinas mit 3800 Bootsliegeplätzen verteilt auf 300 Steganlagen ausgegangen. Im Trend liegen nach wie vor Flöße und Hausboote. „Das Thema ist seit vier, fünf Jahren ganz groß“, bestätigt TMB-Sprecherin Birgit Kunkel. Das Angebot wachse ständig. Mittlerweile gebe es rund 250 Hausboote im Verleih und rund 200 touristische Flöße. Von einfach ausgestattet à la Tom Sawyer bis hin zum Floß mit Sauna und Kaminofen sei alles möglich, meint Kunkel.

Die Kehrseite des wachsenden Wassertourismus ist die steigende Zahl von Unfällen auf dem Wasser. Angaben der brandenburgischen Wasserschutzpolizei zufolge stieg die Zahl im vergangenen Jahr gegenüber 2010 um zwölf Prozent. „An 139 von insgesamt 194 Unfällen waren Freizeitboote beteiligt“, berichtet Hans-Joachim Werner, Direktor der brandenburgischen Wasserschutzpolizei. Auch die Zahl der festgestellten Verstöße bewege sich nach wie vor auf stabilem, aber hohem Niveau. Im vergangenen Jahr seien insgesamt im Land 23 000 Sportboote kontrolliert worden, erzählt Werner. 4300 Verstöße wie das Missachten von Fahrregeln, falsche Lichterführung, fehlende Ausrüstung oder Liegeverstöße habe die Polizei geahndet.

Weniger Probleme, als man annehmen könnte, machen der Polizei die Freizeitkapitäne, die ohne Führerschein auf Brandenburgs Wasserstraßen fahren. Insgesamt 470 Kilometer stehen mittlerweile offiziell dafür zur Verfügung. Rund ein Drittel aller Charterboote im Land werden laut Polizei von Personen ohne reguläre Fahrerlaubnis geführt. Obwohl die Bootslenker in der Regel keine nautischen Kenntnisse außer eine kurze Einführung des Verleihers hätten, machen sie oft weniger Ärger als manch erfahrener Seebär. „Die, die keinen Führerschein haben, fahren meist vorsichtiger und umsichtiger als die, die bereits seit zehn Jahren einen haben, aber schon lange nicht mehr gefahren sind“, meint auch der Direktor der Wasserschutzpolizei, Hans-Joachim Werner.

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