Brandenburg: Blindgänger – im Wald und auf der Heide
In Brandenburg sind tausende Hektar Land munitionsbelastet – beräumt werden können sie nicht
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Potsdam - Das Land Brandenburg wird auf unabsehbare Zeit in Teilen Sperrgebiet bleiben, weil Wald und Heideflächen noch immer voller Munition sind, nicht betreten werden können. „Diese Flächen alle zu untersuchen und zu beräumen ist einfach nicht finanzierbar“, so Harald Holland-Nell, Geschäftführer der landeseigenen Brandenburgischen Boden GmbH (BBG), die neben anderen die alten Liegenschaften der sowjetischen Streitkräfte verwaltet und verwertet. Besonders belastete Flächen, etwa Teile der 500 Hektar großen Tangersdorfer Heide bei Vogelsang im Landesnorden sind amtliche Sperrgebiete – dürfen unter Strafandrohung nicht betreten werden.
Nach dem Abzug der sowjetischen Truppen aus Deutschland hatte der Bund Anfang 1990 Jahre allein dem Land Brandenburg 100 000 Hektar übergeben. Mehr als 60 000 Hektar gelten in Brandenburg als munitions- und kampfmittelbelastet – meist Truppenübungs-, Schieß- oder Bombenabwurfplätze.
Ein Großteil davon ist inzwischen verkauft – auch zu symbolischen Preisen an Naturschutzverbände, die die Wälder sich selbst überlassen wollen. So hat auch die Sielmann-Stiftung die Döberitzer Heide nördlich von Potsdam am westlichen Berliner Stadtrand gekauft. Wie auf diesem einstigen Übungsplatz werden überall in Brandenburg für den Menschen nur noch Schneisen in die Munitionsgebiete gezogen: Für Wanderwege werden Flächen und links und rechts des Weges noch ein paar Meter beräumt – weiter darf der Mensch nicht vom Wege abkommen. In der Döberitzer Heide sind die besonders stark belasteten Flächen eingezäunt worden – dort weiden nun Heidschnucke und Bison.
Allerdings, so BBG-Geschäftsführer Holland-Nell, sei die Wahrscheinlichkeit, dass ein Mensch einen Blindgänger zur Explosion bringt relativ gering. Selbst bei einem bis zu 900 Kilogramm schweren Bison könne dies kaum passieren. In all den Jahren, so Holland-Nell, sei auf märkischen Munitions-Heiden und in Blindgänger-Wäldern noch niemand durch Munition zu Schaden gekommen – „nicht einmal die Pilzsammler, die da teils sehr renitent sind“.
Gezielt nach Munition abgesucht und dann beräumt werden nur Flächen, die an Investoren verkauft werden sollen – etwa für Gewerbebetriebe und Wohnsiedlungen. Im Bericht „15 Jahre Konversion im Land Brandenburg“ ließt sich das unter anderem so: „, dass vor allem dort, wo neue Wohnsiedlungen entstehen, dafür gesorgt werden muss, dass die Neusiedler und Gäste den nahen Naturschatz erleben können, ohne sich selbst und die Naturschutzgebiete in Gefahr zu bringen.“
Dass bisher in den Wäldern noch nichts gravierendes passiert ist, ist zumindest aus Sicht der Feuerwehren ein Wunder. So berichten die Brandbekämpfer etwa aus den Gemeinden rings um die südbrandenburgische Lieberoser Heide immer wieder von Detonationen und umherfliegenden Munitionsteilen bei Waldbränden auf dem mit 28 000 Hektar ehemals größten Truppenübungsplatz in Ostdeutschland. Für Helmut Fries, Bürgermeister der Gemeinde Turnow-Preilack am Rand der Lieberoser Heide, ist es unverantwortlich, „unsere Jungs da noch hineinzuschicken, um einen Brand zu löschen – das ist lebensgefährlich, den fliegt da alles um die Ohren“.
BBG-Chef Holland-Nell räumt auch ein, dass viele der munitionsbelasteten Flächen nicht zum Löschen betreten werden können. In einigen besonders großen und stark belasteten Arealen seien Rettungsschneisen angelegt worden. So auch in der Gegend um Wünsdorf, einsti Hauptsitz der sowjetischen Streitkräfte in der DDR. Dort wurden Stichtrassen in den Wald geschlagen und beräumt. Andernorts könne – so wie nun in Jüterbog – nur aus der Luft und vom Rand aus gelöscht werden.
Die Flächen der Gemeinde Turnow-Preilack in der Lieberoser Heide sollen, wenn es nach der Landesregierung geht, zum Musterfall für eine neue Form der Konversion in Brandenburg werden: Auf einem 300 Hektar großen Teilstück will ein Investor einen der weltweit größten Solarparks bauen. 142 Hektar sollen allein die Photovoltaik-Felder ausmachen. Die Investitionssumme liegt laut Investor bei 160 bis 180 Millionen Euro. Ein Großteil davon werde zunächst in die Altlastensanierung und Munitionsberäumung investiert und später über den Betrieb der Anlage refinanziert werden. Eine ähnlich Nutzung streben das Umwelt- und das Wirtschaftsministerium auch für andere ex-Militär-Areale an – anders, so beide Ministerien, sei die Altlasten- und Munitionsberäumung nicht finanzierbar. In der Lieberoser Heide, wo sich auf Naturschutzflächen Wölfe wieder angesiedelt haben, waren Chemikalien schon bis ins Grundwasser gelangt.Peter Tiede
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