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Brandenburg: BRANDENBURG IST SKEPTISCH

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Stand:

Offiziell hält Brandenburgs Landesregierung am Fusionsfahrplan fest. Doch machen Koalitions- und Oppositionspolitiker aus ihren Zweifeln keinen Hehl, ob er angesichts der desaströsen Haushaltslage in Berlin und dem ungewissen Ausgang der Verfassungsklage noch zu halten ist. Schönbohms Feststellung, dass es ohne eine ausreichende Sanierungshilfe des Bundes für Berlin mit der Fusion nicht klappen wird, findet weitgehende Unterstützung. Einigkeit besteht in der Großen Koalition auch darin, dass noch über eine längeren Zeitraum die besonderen Hilfen für Berlin und Brandenburg - Stichworte sind das Stadtstaaten- und das Dünnsiedlerprivileg – gezahlt werden müssen. Aber alle diese Fragen seien, wird betont, bisher völlig ungeklärt. So gibt es denn auch quer durch alle Landtags-Parteien Stimmen, die meinen, man sollte sich nicht auf Gedeih und Verderb an den Fusions-Fahrplan klammern. Der SPD-Abgeordnete Christoph Schulze zum Beispiel sagt: „Wir sind mit der Volksabstimmung nicht an das Jahr 2006 gebunden. Man sollte den Termin nicht zu einem Glaubensgrundsatz machen.“ Bevor die Berliner Finanzen und der Status des gemeinsamen Landes nicht geklärt seien, „wird die Volksabstimmung in Brandenburg in die Hose gehen.“ Auch SPD-Bildungsminister Steffen Reiche sagt: „“So lange nicht geklärt ist, wie es finanziell mit Berlin weitergeht, kann man nicht sinnvoll über die Fusion abstimmen lassen.“ CDU-Fraktionsgeschäftsführer Dierk Homeyer betont: „Wir sind nicht an die Abstimmung 2006 gebunden.“ Ob man den Termin halten könne, hänge von der weiteren Entwicklung, nicht zuletzt von Karlsruhe ab. Für CDU-Fraktionschefin Beate Blechinger muss 2005 entschieden werden, ob die Volksabstimmung 2006 stattfinden kann: „Wenn die Finanzprobleme Berlins bis dahin nicht geklärt sind, wird der Termin nicht zu halten sein.“ Die Brandenburger würden der Fusion nicht zustimmen, wenn sie die Schuldenlast der Hauptstadt übernehmen müssten. Blechinger warnte, den Bürgern Sand in die Augen zu streuen. „Sie sind beim ersten Anlauf selbst dem populären Ministerpräsidenten Manfred Stolpe nicht gefolgt, obwohl der seine ganze Autorität in die Waagschale geworfen hat“. PDS-Landeschef Ralf Christoffers sieht vor dem Hintergrund der schwierigen Finanzfragen und der Stimmungslage in Brandenburg und Berlin keine Notwendigkeit, jetzt Druck aufzumachen. „Der Termin der Volksabstimmung ist nicht entscheidend, erst muss das Finanzdesaster in beiden Ländern geklärt werden.“ Man müsse sich nicht an die Jahresangaben 2006 und 2009 klammern. „Es gibt vor dem Hintergrund der EU-Osterweiterung, des Solidarpaktes 2 und anderer Veränderungen ein Zeitfenster für die Fusion bis 2012.“ Das wichtigste sei, dass es im zweiten Anlauf klappe, denn einen dritten werde es nicht geben. Hingegen meint Vize-CDU-Parteichef Sven Petke, dass der Fusionsfahrplan noch zu retten sei: „Wir brauchen Karlsruhe nicht, denn der Joker liegt beim Bund“: Dieser müsse sich nur finanziell zur Fusion bekennen und „belastbare Zusagen“ geben. Dann könne die Volksabstimmung auch wie geplant 2006 stattfinden. Auch der finanzpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Mike Bischoff, sieht noch Chancen für den vereinbarten Fahrplan, wenn sich der Bund bewegt. Einig sind sich Brandenburgs Politiker über Koalitionsgrenzen hinweg allerdings darin, dass viel wichtiger als die Diskussion über Fusionstermine die Verbesserung der praktischen Zusammenarbeit ist. Da liege, so das einhellige Echo, vieles im argen. „Wir müssen den Stillstand überwinden und wieder Bewegung reinbringen“, sagt etwa SPD-Fraktionssprecher Ingo Decker. Auch PDS-Chef Christoffers meint, dass die Chancen einer Annäherung bisher nicht genutzt würden, obwohl praktische Beispiele der Zusammenarbeit die Bürger am ehesten überzeugen würden. „Es passiert viel zu wenig“, betont auch der Wissenschaftler Helmut Seitz. Beide Länder verschenkten Potenziale und Optionen. Schon jetzt könnte vieles zusammengeführt werden. Hier müsse die Politik umsteuern, ein Mentalitätswechsel sei nötig. Schönbohm hatte im Interview mit den PNN ebenfalls die „Berliner Art“ beklagt, die die Zusammenarbeit mit Berlin erschwere: „Wir sind wir, dann kommen die anderen.“ Schönbohm hatte auch darauf verwiesen, dass Brandenburg konkrete Vorschläge für die Fusion von Behörden gemacht habe, die Begeisterung in Berlin aber nicht sehr groß sei. „In den letzten Jahren ist nichts passiert“, sagt ein maßgeblicher SPD-Politiker, der namentlich nicht genannt werden will. Dies sei ein Grund dafür, dass die Brandenburger die Fusion mehrheitlich nicht wollten. Hingegen sehe Berlin die Fusion als Teil für die Lösung seiner Probleme an. Seine Prognose: Auch wenn der Bund Geld für die Sanierung des Berliner Haushaltes gebe, werde sich die Anti-Fusions-Meinung in Brandenburg nicht ändern. Es müsse insgesamt eine optimistische Grundstimmung geben, doch sei derzeit nicht erkennbar, dass sie in den nächsten Jahren tatsächlich komme. Michael Mara

Michael Mara

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