Pferdefleisch-Skandal: Brandenburg meldet drei Verdachtsfälle
Ein neuer Lebensmittelskandal erschüttert Europa. Erste Arzneifunde in Pferdefleisch nähren Sorgen über Gesundheitsrisiken. Der Kreis der Betroffenen weitet sich aus. Tausende Lasagne-Packungen verschwinden aus den Supermarkt-Regalen.
Stand:
Berlin/London/Potsdam - Der europäische Pferdefleisch-Skandal hat eine neue Dimension erreicht: In Deutschland sind immer mehr Bundesländer und Unternehmen von dem Lebensmittelbetrug betroffen, darunter auch Brandenburg. Nach der Metro-Tochter Real entdeckte auch die Supermarktkette Edeka Pferdefleisch in Fertiggerichten, die eigentlich nur Rind enthalten sollten. Tausende Lasagne-Packungen verschwanden aus den Kühlregalen. In London gab es unterdessen erste Hinweise auf Rückstände von Medikamenten in Pferdefleisch. Und nach Erkenntnissen französischer Ermittler hat ein Lebensmittelhändler wissentlich tonnenweise als Rind gekennzeichnetes Pferdefleisch vertrieben.
In Brandenburg sind indes zwei neue Verdachtsfälle bekanntgeworden. Das hätten weitere Ermittlungen in Nordrhein-Westfalen ergeben, erklärte das Verbraucherschutzministerium am Donnerstag in Potsdam. Demnach wurden nach bisherigen Erkenntnissen drei Lager in Brandenburg mit Lasagne mit nicht deklariertem Pferdefleisch beliefert.
Bereits am Vormittag wurde in einem Lager ein solches Produkt vorsorglich sichergestellt. Es war über einen Großhändler in Nordrhein-Westfalen nach Brandenburg geliefert worden. Nach wie vor gibt es den Angaben zufolge keinen Hinweis darauf, dass entsprechende Ware in den Handel gekommen ist. Eine Probe sollte im Laufe des Tages im Landeslabor Berlin-Brandenburg entnommen werden.
Mit dem Ergebnis sei bis Ende kommender Woche zu rechnen, sagte eine Sprecherin.
Die EU-Staaten wollen am Freitag in Brüssel über die Einführung europaweiter Gentests von Rindfleischprodukten entscheiden. Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) erklärte dazu: "Nur mit flächendeckenden Tests und einem europaweit einheitlichen Vorgehen werden wir das tatsächliche Ausmaß dieses Falls erfassen können." Sie forderte die Justizbehörden in Deutschland zu Ermittlungen auf: "Wir haben es offenbar mit einem bislang einmaligen Fall von Verbrauchertäuschung zu tun."
Tests der britischen Lebensmittelaufsicht ergaben, dass Fleisch von acht mit dem Medikament Phenylbutazon gespritzten Pferden wohl in die Nahrungskette geraten ist. Die geschlachteten Tiere wurden nach Frankreich exportiert. Dort fielen Tests zunächst negativ aus, sagte der britische Ernährungsstaatssekretär David Heath am Donnerstag. Das Mittel wird bei Pferden auch als Dopingmittel verwendet, bei Menschen kurzzeitig gegen Rheuma. Das Gesundheitsrisiko für Menschen ist nach Einschätzung der britischen Behörden aber gering.
Dem französischen Lebensmittelhändler Spanghero warf Verbraucherschutzminister Benoît Hamon am Donnerstag in Paris "wirtschaftlichen Betrugs" vor. Spanghero habe wissentlich als Rind gekennzeichnetes Pferdefleisch vertrieben. Der von dem Unternehmen belieferte Hersteller Comigel in Metz, der Fleischprodukte wie Lasagne hergestellt hat, ist laut Hamon getäuscht worden. Insgesamt sind den Angaben zufolge 750 Tonnen Fleisch betroffen, davon seien 550 an Comigel geliefert worden.
In dem Tiefkühl-Produkt "Gut & Günstig Lasagne Bolognese" seien bei Analysen in einzelnen Stichproben geringe Mengen Pferdefleisch gefunden worden, sagte ein Edeka-Sprecher in Hamburg. Der Artikel sei am Dienstag vorsorglich aus dem Verkauf genommen worden, nachdem der Lieferant eine mögliche Beimischung von Pferdefleisch nicht ausschließen konnte. Die beigemischte Menge liege bei einem bis fünf Prozent.
Real hat die Tiefkühl-Lasagne zurückgerufen, nachdem bei Stichproben Anteile von Pferdefleisch entdeckt worden waren. "Jeder Kunde, der den Artikel in den Markt zurückbringt, bekommt den Kaufpreis zurückerstattet", sagte ein Unternehmenssprecher in Düsseldorf. Die Lasagne der Eigenmarke "Tip" sei bundesweit in allen 316 Real-Märkten verkauft worden. Das Unternehmen sehe sich "als Opfer einer vorsätzlichen Täuschung".
Kaiser's Tengelmann rechnet für diesen Freitag mit Ergebnissen der Analysen für die aus dem Verkauf genommene A&P-Tiefkühllasagne. Auch der Großhändler Markant teilte der Nachrichtenagentur dpa mit, er habe vergangene Woche "vorsorglich entsprechende Produkte aus dem Vertrieb sowie aus dem Verkauf bei den belieferten Kunden genommen". Die Gesellschaft betreibt keine eigenen Einzelhandelsgeschäfte.
In Baden-Württemberg wurde nach Angaben des dortigen Verbraucherministeriums eine verdächtige Tiefkühl-Lasagne der Firma Eismann aus dem Handel genommen. Ob in der Lasagne tatsächlich falsch deklariertes Pferdefleisch enthalten ist, werde derzeit untersucht. Das von dem Unternehmen vertriebene Produkt kam laut Ministerium über NRW in den Südwesten.
Über 22 000 Packungen Tiefkühl-Lasagne mit möglicherweise falsch deklariertem Pferdefleisch wurde in Brandenburg vorsorglich sichergestellt. Auch in Bayern fanden Kontrolleure in einem Kühlhaus verdächtige Produkte. In beiden Fällen gibt es eine Spur nach NRW: Von dort sei das verdächtige Produkt über einen Großhändler nach Brandenburg und Bayern gelangt. In Niedersachsen wurde ein Kühlhaus geschlossen.
Der Bundesverband der Lebensmittelkontrolleure sieht den Verbraucherschutz in Deutschland aber grundsätzlich gewährleistet: "Die Überwachung ist so stark wie noch nie", sagte Vorstand Manfred Woller der dpa. Die Verbraucherorganisation foodwatch forderte hingegen schärfere Kontrollsysteme. (dpa/dapd)
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: