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Brandenburg: Brandenburgs schwarze „Kämpfer“

Das Spezialeinsatzkommando, Sitz Potsdam-Eiche, rückte im Vorjahr 79 Mal aus – und das noch geheimere MEK wird aufgestockt

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Potsdam - Sie werden von ihren Vorgesetzten ganz offiziell „Kämpfer“ genannt. Auch das gefällt dem Gast aus Potsdam sichtlich. Überhaupt erinnert ihn so vieles an diesem Tag an die eigene militärische Karriere, an seine Zeit als Bundeswehrgeneral, etwa als er fachmännisch eine Maschinenpistole ausprobiert und für Minuten ringsum alles vergisst. Und dann hat Jörg Schönbohm, Innenminister von Brandenburg, 70 Jahre, noch eine Frage, die er lieber unter vier Augen an Kriminalhauptkommissar Steffen Zimmer richtet, den Chef des brandenburgischen Spezialeinsatzkommandos, gemeinhin als „SEK“ bekannt: „Wie ist der Korpsgeist?“, fragt Schönbohm leise. Die Antwort des SEK-Chefs, 43 Jahre, Fallschirmjägertyp, in der typischen schwarzen Montur, eine Pistole am Halfter, ein Funkgerät in der Hand kommt umgehend: „Der Korpsgeist ist gut. Wie es sich für eine Spezialeinheit gehört.“ Alles bestens also, findet der Gast.

An diesem Tag hat die Elitetruppe der brandenburgischen Polizei, die 2007 insgesamt 79mal ausrücken musste, gerufen für Einsätze, die besonders gefährlich sind, offensichtlich mit Erfolg gekämpft – diesmal, um einen guten Eindruck bei ihrem Dienstherren, und den angereisten Journalisten zu hinterlassen, denen sie in Eberswalde ihr Können demonstrieren: Wie die „schwarze“ Truppe mit allem Drum und Dran – Abseilen vom Hubschrauber inklusive, gezündete „Irritations-Sprengladung“ am Wegesrand – einen Wagen mit flüchtigen Gangstern stoppt. Wie sie von Außen in eine Wohnung eindringt, durch gesprengte Fenster und Türen, um eine Geisel zu befreien. „Wissen Sie vorher, wie viele Täter im Haus sind“, wurde Zimmer da gefragt: „Das wissen wir, wir haben da unsere technischen Möglichkeiten!“, antwortete er lächelnd. Nein, mehr könne und dürfe er nicht sagen, wie auch die Gesichter der Spezialbeamten bei der Übung verdeckt blieben, die genaue Zahl des SEKs – man schätzt rund 100 Beamte stark – ungenannt blieb.

Rambos, Abenteurer, Eigenbrödler sind für den gefährlichen Job jedenfalls fehl am Platze, betonte Zimmer. Wie man „Kämpfer“ beim SEK wird? Man muss bereits bei der Polizei tätig und mindestens 23 Jahre alt sein – und ein strenges Auswahlregime bestehen. Es fängt mit sportlichen Hürden an, erläutert Dieter Büddefeld, Direktor des Landeskriminalamtes, dem die Spezialeinheiten unterstehen. Was konkret heißt: Ohne 13 Klimmzüge, 3000 Meter in 12,30 Minuten, 30 Meter unter 4,6 Sekunden, läuft überhaupt nichts. Es folgen eine Aufnahmeprüfung, Psychotests inklusive, 16 Wochen Spezialausbildung und ein Jahr Probezeit – erst dann entscheide sich, ob jemand wirklich für den gefährlichen, nervenaufreibend Job geeignet ist. Und es ist wahrlich nicht so, erläutert Sven Mutschik, für das SEK zuständiger Vize-Abteilungsleiter im LKA, „dass die Bewerber für das SEK Schlange stehen.“ Wie überall in Deutschland plagen nämlich auch das Brandenburger SEK eher Nachwuchssorgen, zumal der Job nicht finanziell attraktiv ist: Die SEK-Beamten haben bis auf eine Gefahrenzulage von rund 150 Euro die gleichen Bezüge wie ihre Kollegen im herkömmlichen Polizeidienst.

Nicht immer klappt im Ernstfall alles so reibungslos wie bei der Demonstration für Schönbohm. Im April 2007 lieferte sich das SEK eine wilde Schießerei mit einem Amokläufer in Waßmannsdorf, zwei Beamte wurden verletzt. Danach gab es etwa im Innenausschuss des Landtages heftige Diskussionen, warum die Beamten keinen Schutzhelm trugen. Allerdings, Außenstehende haben da klug reden, hieß es dazu beim SEK. SEK-Chef Zimmer zeigte den schweren Schutzhelm, „6 Kilogramm schwer“. Er werde, so erläuterte er, deshalb nur noch in höchsten Gefährdungssitationen eingesetzt, weil es bei SEK-Beamten immer wieder zu Schädigungen der Halswirbelsäule gekommen war.

Und dann gibt es da noch die kleine Schwester der „Kämpfer“, der andere Teil der Spezialeinheiten Brandenburgs, der auch an diesem Tag für die Öffentlichkeit verborgen blieb. Es handelt sich um das „Mobile Einsatzkommando“ (MEK), das für verdeckte Observationen zuständig ist, mal Tage, mal wochenlang. Der bislang umfangreichste Einsatz des MEK sei die Zerschlagung der „Schlapphut“-Bande gewesen, sagte LKA-Direktor Büddefeld. Diese Gruppe hatte in mehreren Bundesländern regelmäßig Banken ausgeraubt, bewaffnet mit Maschinengewehren, Pistolen, dem ganzen Arsenal. Ehe sie aufflog und dingfest gemacht wurde, war ihr das MEK 13 500 Arbeitsstunden auf den Fersen.

Jetzt wird das MEK aufgestockt, um ein weiteres Observationsteam mit acht Beamten, kündigte Schönbohm an. Grund seien wachsende Gefahren durch Terrorismus. Denn bei der Überführung der Sauerland-Attentäter im Herbst 2007, die in Deutschland Sprengstoffanschläge vorbereiteten, die bereits die Zünder einer 550 Kilo TNT-Bombe montierten, mehr Sprengstoff als bei den Attentaten von London und Madrid, hatte sich herausgestellt, dass in allen Bundesländern die Observationskräfte knapp wurden. In Brandenburg, sagt Jörg Schönbohm, „sind die Spezialeinheiten personell und technisch gut gerüstet“.

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