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Blick aus einem Kleinflugzeug auf die mächtigen Wasserdampfsäulen, die aus den Kühltürmen des Braunkohlekraftwerkes der Vattenfall AG im brandenburgischen Jänschwalde (Spree-Neiße) in den Himmel aufsteigen. Die Zukunft Brandenburgs sind die erneuerbaren Energien. Der Anteil soll Jahr für Jahr steigen.

© dpa

Brandenburgs Energiestrategie: Braunkohleabbau bis 2047

Rot-Rot setzt weiter auf die Lausitzer Braunkohle, bleibt aber unter alten CO2-Einsparzielen. Was das die am Dienstag in Potsdam vorgestellte Strategie im Einzelnen bedeutet.

Von Matthias Matern

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Potsdam - Zweieinhalb Jahre lang hat Brandenburgs Landesregierung gebraucht, um die Energiestrategie 2020 der schwarz-roten Vorgängerregierung zu überarbeiten. Immer wieder wurde Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (Linke) von der Opposition wegen der Verzögerungen angezählt. Erst Anfang des Jahres hatte Christoffers einen umstrittenen Entwurf vorgelegt. Am Dienstag hat das Kabinett die Energiestrategie 2030 verabschiedet. Im März will Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) eine Regierungserklärung abgeben.

Das Ziel

Ziel der Strategie ist laut des Entwurfs „eine klimaverträgliche, wirtschaftliche, sichere und gesellschaftlich akzeptierte Energieversorgung“. Dabei will die Landsregierung vor allem an vier Punkten ansetzen: Durch eine höhere Effizienz soll der Endenergieverbrauch um rund 23 Prozent gesenkt werden. Der Anteil der erneuerbaren Energien soll auf 40 Prozent am Endenergieverbrauch ausgebaut werden. Allerdings soll auch die Braunkohle, möglichst mit der CO2-Abscheidetechnologie CCS, klimaschonend weitergenutzt werden, um die Grundlast zu sichern. Gleichzeitig sieht die Strategie vor, dass die sogenannte Systemintegration von erneuerbaren Energien durch den Ausbau von Stromnetzen und die Forschung zu Speichertechnologien vorangetrieben wird.

Klimaschutz

Unter dem Strich will Rot-Rot bis 2030 den landesweiten Kohlendioxidausstoß gegenüber 1990 um 72 Prozent auf 25 Millionen Tonnen pro Jahr reduzieren. Damit bleibt die Koalition aber unter dem Ziel von SPD und CDU. Die Energiestrategie 2020 sah eine Reduzierung um 75 Prozent auf 22,8 Millionen Tonnen vor. 2010 betrug die CO2-Emission dem Wirtschaftsministerium zufolge 55,9 Millionen Tonnen. Zusammen mit den Raffinerien ist die Braunkohle für knapp 43 Millionen Tonnen verantwortlich. 3,5 Millionen Tonnen kommen aus der Industrie, 5,4 Millionen Tonnen stößt der Verkehr aus und 4,2 Millionen Tonnen steuern private Haushalte und Kleinverbraucher wie Handwerksbetriebe bei.

Der Mix

Kritisiert wird die Landesregierung vor allem für ihr Festhalten am Strom aus der Braunkohle. Dieser wird 2030 mit rund 60 Prozent den Löwenanteil am Endenergieverbrauch stellen. Zwar wird auch der ebenfalls fossile Energieträger Gas erwähnt, doch spielen Gaskraftwerke im Land nur eine untergeordnete Rolle. Zwei ursprünglich geplante Anlagen, mit denen Rot-Rot sogar kalkuliert hatte, sind wie berichtet gestoppt worden. Unter den erneuerbaren Energien soll die Windenergie 2030 den größten Stromertrag beisteuern. Insgesamt rechnet Rot-Rot mit 102,03 Petajoule (1 Pj = 278 Gigawattstunden). Davon sollen 80,9 Pj durch Windkraft erzeugt werden, 11,7 Pj durch Photovoltaik und 7,5 Pj durch Biomasse.

Braunkohle

In der Energiestrategie bekennt sich Rot-Rot eindeutig auch zu den vom schwedischen Staatskonzern angestrebten neuen Tagebauen. Derzeit fördert Vattenfall an drei Standorten im Land Brandenburg und zweien im Nachbarland Sachsen Braunkohle. Um die Rohstoffbereitstellung für die Kraftwerkstandorte Schwarze Pumpe und Jänschwalde (beide Spree-Neiße) zu sichern, „werden die derzeit in der Bearbeitung befindlichen Braunkohleverfahren zu Ende geführt“. Im Tagebaugebiet Welzow, das um ein weiteres Teilgebiet ausgedehnt werden soll, rechnet die Landesregierung mit einer Braunkohleförderung bis 2042. Für den geplanten Tagebau Jänschwalde Nord mit einem Kohleabbau bis 2047. Damit wäre auch das Schicksal der drei Jänschwalder Ortsteile Atterwasch, Kerkwitz und Grabkow besiegelt. Sie müssten dem Tagebau weichen. Rund 900 Anwohner wären von einer Umsiedlung betroffen. Bei der Linke-Basis im Land herrscht diesbezüglich große Unzufriedenheit mit dem Kurs der eigenen Landtagsfraktion. Gerade erst hatte sie auf einem Landesparteitag einen vollständigen Verzicht auf neue Tagebaue gefordert.

Verspargelung

Bei der Nutzung der Windenergie steht Rot-Rot vor allem vor einem Flächenproblem. Seit Jahren protestieren zahlreiche Bürgerinitiativen gegen die Verspargelung der Landschaft. Um den angepeilten Stromertrag aus Windkraft zu erreichen, soll der Anteil der Windeignungsgebiete auf knapp zwei Prozent der Landesfläche erweitert werden. Von den geplanten 583,3 Quadratkilometern sind jedoch erst knapp 400 für die Windkraft erschlossen. Weil das Potenzial außerhalb von Wäldern und Naturschutzgebieten bereits weitgehend ausgereizt ist, will die Landesregierung künftig auch Wirtschaftswälder erschließen.

Vermaisung

An natürliche Grenzen stößt auch die Verstromung von Biomasse in Biogasanlagen. Vor allem die enorme Zunahme beim Anbau von Mais, der bevorzugt in Biogasanlagen als Rohstoff zum Einsatz kommt, führt wegen übermäßigem Pestizidgebrauch zu schweren ökologischen Schäden, befürchten Naturschützer. Zudem schnellen wegen des lukrativen Geschäfts mit den Energiepflanzen die Preise für Agrarflächen in die Höhe. Für ortsansässige Bauern sind die Flächen oft nicht mehr zu bezahlen. Bis zu 30 Prozent der landesweiten Ackerfläche könnten laut Energiestrategie „unter Berücksichtigung von Ernährungssicherheit und Bodenfruchtbarkeit“ für die Biomasseverwertung genutzt werden.

Sonnenenergie

Beim weiteren Ausbau der Photovoltaik setzt Rot-Rot unter anderem auf das Potenzial auf Dächern. Aufgebaut werden soll eine Solarbörse, die potenzielle Investoren, Gebäudeeigentümer und Firmen in Kontakt zusammenbringt. Weitere Möglichkeiten sieht Rot-Rot auch in Solaranlagen an Fernstraßen, die gleichzeitig als Lärmschutz dienen. Das Pilotprojekt an der A10 bei Michendorf soll beispielgebend sein. Weitere große Freiflächenanlagen wie etwa in der Lieberoser Heide in der Lausitz werden wegen der von der Bundesregierung geplanten radikalen Absenkung der Förderung eher unwahrscheinlich. Erste Projekte, etwa im Kreis Oberhavel, sollen bereits gestrichen worden sein.

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