Brandenburg: Brüder, zur Sonne!
20 000 Teilnehmer bei DGB-Kundgebung in Berlin, 5000 auf Mai-Demos in Brandenburg
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Berlin/Potsdam - Steaks, Bier und Trillerpfeifen für die Großen. Hüpfburgen, Eis und Luftballons für die Kleinen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hatte am Freitag zu den traditionellen Maikundgebung in Berlin und Brandenburg auf die Straßen gerufen. Unter dem Motto „Arbeit für alle – bei fairem Lohn“ zogen zunächst mehrere tausend Gewerkschafter vom Berliner Wittenbergplatz zum Brandenburger Tor. Viele Polizisten beteiligten sich an einem gewerkschaftlichen Motorradkorso in Richtung Brandenburger Tor, dagegen bevorzugten viele Mitglieder der Gewerkschaft Verdi die Teilnahme an einem parallelen Fahrradkorso.
Am Brandenburger Tor in Berlin sprach der Berliner DGB-Chef Dieter Scholz vor 20 000 Teilnehmern von einer „Systemkrise“ und forderte mehr Druck auf die Politik.
An Veranstaltungen der Gewerkschaften im Land Brandenburg in Potsdam (Seite 8), Beeskow, Frankfurt (Oder), Brandenburg/Havel sowie Cottbus und Hennigsdorf beteiligten sich laut DGB ganze 5000 Menschen. Andere Angaben über Teilnehmerzahlen lagen nicht vor. Redner forderten auch auf den märkischen Pulten faire Entlohnung und ein Umdenken in der Wirtschaftspolitik. Anneliese Buntenbach vom DGB-Bundesvorstand fordert in Beeskow (Oder-Spree) eine staatliche Defizithaftung für Sozialversicherungen. Es könne nicht tatenlos zugesehen werden, wie die Bundesagentur oder die Krankenkassen Schuldenberge auftürmten, die sich nicht mehr abbauen könnten, warnte sie laut DGB-Mitteilung. Als Folge würden Kürzungen bei Sozialleistungen drohen. Nach ihrer Einschätzung könnte sich die Rezession schnell zu einer Vertrauenskrise ausweiten, sollten Entlassungswellen nicht verhindert und Opfer der Krise nicht abgesichert werden.
Nach Einschätzung des Gewerkschaftsbundes bricht derzeit die „marktradikale Wirtschaftsordnung“ zusammen, die seit 30 Jahren als Neoliberalismus bezeichnet werde. Bei der jetzigen Situation handele es sich nicht um eine „banale Finanzkrise, sondern um eine Systemkrise“. Scholz fügte in Berlin hinzu: „Nichts kann so bleiben, wie es war.“ Nach der Kundgebung fand am Brandenburger Tor ein Infomarkt sowie ein Kinder- und Familienfest statt. Auf dem Programm standen auch Kabarett und Musik.
Während Scholz schließlich ein drittes Konjunkturpaket und eine andere Arbeitsmarkpolitik forderte, sagte die Verdi-Chefin von Berlin und Brandenburg, Susanne Stumpenhusen, zur selben Zeit in Frankfurt (Oder), die Wirtschaftskrise sei keine Naturgewalt. Worunter die Menschen jetzt litten, sei „Folge eines entfesselten Finanzkapitalismus“. Nach den Kundgebungen am Vormittag hatten Verdi, das Arbeitslosenzentrum und Kirchenvertreter zu einem gemeinsamen Gottesdienst in die St. Marienkirche am Alexanderplatz geladen. Die Kanzel wollte sich der Gemeindepfarrer mit Stumpenhusen teilen. Die Kollekte geht an das Arbeitslosenzentrum. Aufgerufen wurde am Freitag auch dazu, sich an den Protesten in zwei Wochen zu beteiligen. Am 16. Mai, dem europäischen Aktionstag der Gewerkschaften, werden tausende Arbeitnehmer erwartet, die vom Hauptbahnhof und dem Breitscheidplatz durch die Innenstadt zur Siegessäule ziehen wollen.
Bundesweit sollen DGB-Angaben zufolge fast 500 000 Menschen die 400 Gewerkschaftskundgebungen besucht haben. Mehr Kollegen als im vergangenen Jahr folgten den Aufrufen der Gewerkschaften trotz Wirtschaftskrise aber nicht. Linke Gewerkschafter hatten allein in Berlin auf mehr als 20 000 Teilnehmer gehofft und die „halbherzige Mobilisierung“ der DGB-Führung dafür verantwortlich gemacht, dass man die „Chance auf Massenproteste“ ungenutzt habe verstreichen lassen. Zahlreiche Gewerkschafter waren am Freitag offenbar auch nach Köpenick gefahren, um dort gegen die rechtsextreme NPD zu protestieren.
Derweil sind die Verhandlungen über einen Tarifvertrag für die Beschäftigten der Sozial- und Erziehungsdienste gescheitert. Verdi ruft nun für kommenden Mittwoch zu einem bundesweiten Warnstreik auf. Dabei sollen unbestätigten Angaben zufolge auch brandenburgische Kitas betroffen sein. Hannes Heine (mit dpa)
Hannes Heine (mit dpa)
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