Brandenburg: Brutalität und Mordlust
Tod eines Arbeitslosen: Angeklagte streiten Tötungsabsicht ab
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Tod eines Arbeitslosen: Angeklagte streiten Tötungsabsicht ab Von Jörg Schreiber Frankfurt (Oder). Beinahe wie der nette Junge von nebenan sitzt Stephan B. auf der Anklagebank. Seine Haare sind sichtbar länger als die auf den kurzgeschorenen Schädeln der beiden Mitangeklagten Brüder Marco (28) und Daniel S. (21), das blaue Hemd sitzt akkurat. Mit gesenktem Blick hört der 19-Jährige der Anklageverlesung zu. Seit Dienstag müssen sich die drei Männer vor dem Landgericht Frankfurt (Oder) verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen Mord und schweren Raub vor. Sie sollen in der Nacht zum 29. März einen 25-jährigen Arbeitslosen in einer Frankfurter Wohnung überfallen und so schwer misshandelt haben, dass der Mann am Morgen im Krankenhaus verstarb. Die Beschuldigten haben den Mann laut Anklage immer wieder getreten und geschlagen. Zwei von ihnen hätten eine Glaskanne und Bierflaschen wie Knüppel auf dem Kopf des Opfers zertrümmert. Stephan B. soll zudem mit der vollen Wucht seines damals 110 Kilogramm schweren Körpers auf den liegenden Mann gesprungen und ihn dann auch noch als lebende Dartscheibe für Wurfspiele mit dem Messer missbraucht haben. Dann habe B. mehrfach tief in die Beine des Opfers gestochen. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 19-Jährigen Mordlust vor. „Das ist eine Rarität“, sagt ein Gerichtssprecher. Aber auch andere Mordmerkmale wie Habgier, Grausamkeit und die Verdeckung einer Straftat - der Raub einer Spielkonsole, eines Handys und von 170 Euro - sind nach Ansicht der Anklagevertretung erfüllt. Die drei Männer stritten am Dienstag ab, in Tötungsabsicht gehandelt zu haben. Sie räumten lediglich ein, ihr Opfer geschlagen und getreten zu haben. Stephan B. gab nach Aussage seines Anwalts auch zu, den Mann mit einer Metallstange und einem Messer attackiert zu haben. Schwer nachzuvollziehen ist, warum die Angeklagten überhaupt auf den Arbeitslosen losgingen. Marco S. sagte, gegen 21.00 Uhr habe die Freundin seines Bruders Daniel angerufen und gesagt, sie sei sexuell belästigt worden. „So etwas dulden wir überhaupt nicht“, fügte er hinzu. Deshalb seien die drei Angeklagten zur Wohnung des vermeintlichen Grapschers gezogen und hätten dort die Tür eingetreten, den Gesuchten aber nicht angetroffen. Statt dessen habe der 25-jährige Arbeitslose auf der Couch gelegen. Der wollte nicht sagen, wo der Gesuchte ist, und sei daraufhin geschlagen und getreten worden. Stephan B. sei dann mit einem Messer auf das Opfer losgegangen. Beide Brüder gaben an, dass sie versucht hätten, ihn davon abzuhalten. B. wiederum ließ seinen Anwalt mitteilen, er habe niemals die Absicht gehabt, das Opfer in den Kopf zu stechen. Die drei seit April in Untersuchungshaft sitzenden Angeklagten kennen sich mit Gerichtsprozessen aus. Alle sind unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung vorbestraft. Daniel S. wird von der Staatsanwaltschaft als „gefährlicher Intensivkrimineller“ bezeichnet. Er war nach Angaben eines Gerichtssprechers erst Ende Februar nach Verbüßung einer Haftstrafe auf freien Fuß gekommen. Er ist allerdings auch der Einzige, der sich gleich zu Prozessbeginn für die Tat entschuldigte. Das Verfahren wird am Donnerstag fortgesetzt. Dann sind Zeugen geladen, die zum Geschehen vor und nach der Tat befragt werden sollen. Das Urteil wird voraussichtlich am 23. September verkündet.
Jörg Schreiber
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