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Brandenburg: Bund zahlt nur für reichseigene Munition

Brandenburg wie kein anderes Bundesland von militärischen Altlasten betroffen / Lancelle: „Allgegenwärtige Gefahr“

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Brandenburg wie kein anderes Bundesland von militärischen Altlasten betroffen / Lancelle: „Allgegenwärtige Gefahr“ Von Michael Mara Potsdam. Kein anderes Bundesland ist 59 Jahre nach Kriegsende noch so stark munitionsverseucht wie Brandenburg. Allein im letzten Jahr wurden 788 Tonnen Munition unschädlich gemacht, so viel wie in keinem anderen Land. Innen-Staatssekretär Eike Lancelle sprach gestern bei der Vorstellung des jüngsten Munitionsbergungsberichts von einer „beklemmenden Situation“. Es bestehe eine „allgegenwärtige Gefahr“, die Teile der Bevölkerung nach wie vor stark belaste. In Oranienburg zum Beispiel müssten regelmäßig ganze Ortsteile wegen der Entschärfung von Bomben mit Langzeitzündern evakuiert werden. Lancelle kritisierte scharf den Bund, der nur etwa ein Viertel der Kosten für die Munitionsbergung übernehme. Die restlichen rund Drei Viertel müsse das Land bezahlen. Es sei „politisch unerträglich, dass Brandenburg die Lasten für etwas tragen muss, dass es nicht zu verantworten hat“. Wegen der mangelhaften finanziellen Beteiligung des Bundes werde man für die Kampfmittelbeseitigung noch Jahrzehnte benötigen, prophezeite Lancelle. Nach den derzeitigen Regelungen übernimmt der Bund nur die Kosten für die Bergung so genannter reichseigener Munition. Für die Beseitigung alliierter Munition, die den Hauptteil ausmacht, muss das Land allein aufkommen. Erst im März verweigerte die rot-grüne Mehrheit im Bundestag eine von Brandenburg eingebrachte Gesetzesinitiative, der zufolge der Bund auch die Kosten der Bergung so genannter alliierter Munition vollständig übernehmen sollte. Lancelle sprach von „mangelndem Verantwortungsbewusstsein für die gemeinsame deutsche Geschichte“. Die so genannten Munitionsverdachtsflächen belaufen sich auf rund 400000 Hektar. Die hohe Verseuchung hängt damit zusammen, dass Brandenburg zum Ende des zweiten Weltkrieges ein einziges Schlachtfeld war. Die Experten des Munitionsbergungsbetriebes warnen, dass die Gefahr von Selbstdetonationen mit der fortschreitenden Verrottung der Blindgänger steige. Besonders gefährlich seien Bomben mit Langzeitzünder, die zum Ende des zweiten Weltkrieges in großer Zahl über Oranienburg abgeworfen worden seien. Bislang konnte dort erst rund ein Viertel der vermuteten Blindgängereinschlagsstellen abschließend untersucht werden (501 von 1938). Sie wurden mit Hilfe alliierter Kriegsluftbilder ausfindig gemacht. Dabei wurden 125 Sprengbomben gefunden. 67 wiesen noch intakte Langzeitzünder auf. Seit 1977 gab es sechs Selbstzündungen, wobei auch Menschen zu Schaden kamen. Lancelle versicherte, dass Oranienburg Schwerpunkt bei der Munitionsbergung bleibe. Bis zu 40 Prozent der zur Verfügung stehenden Mittel von insgesamt rund 14 Millionen Euro jährlich würden dort eingesetzt. „Es handelt sich um dichtbesiedeltes Gebiet. Wir wollen dort schnell zum Ende kommen“, erklärte der Staatssekretär. Seit 1991 sind in Oranienburg 125 Bomben gefunden worden – ein Rekord. In Potsdam waren es nur 51, in Frankfurt (Oder) 21 und in Cottbus 12. Weitere Schwerpunkte bei der Munitionsbergung sind die Oderdeiche und die Autobahnen. Auch der Truppenübungsplatz Wittstocker Heide, der nach den jüngsten Plänen der Landesregierung künftig touristisch genutzt werden soll, ist in hohem Maße belastet. „Es wird lange dauern, bis das riesige Gebiet für den Tourismus erschlossen werden kann“, sagte Lancelle. Aufschluss über den Grad der Verseuchung der Döberitzer Heide westlich von Berlin soll in Kürze ein wissenschaftliches Gutachten der TU Cottbus geben.

Michael Mara

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