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Von Peter Thiede: Büttner will FDP-Fraktion führen

Machtkampf entschieden: Landtagsfraktion entzog ihrem Chef Hans-Peter Goetz das Vertrauen

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Potsdam - Der Chef der brandenburgischen FDP-Landtagsfraktion, Hans-Peter Goetz, hat am Samstag seinen Rücktritt von seinem Amt zum 10. August erklärt. Sein Mandat wird er behalten. In einer am Samstagvormittag verschickten Erklärung begründete Goetz seinen Schritt mit dem nicht mehr vorhandenen Vertrauen seiner Fraktionskollegen. Diese hatten ihm am Donnerstagabend bei einem Krisentreffen in Jüterbog den Rücktritt nahegelegt – selbst der letzte Goetz-Getreue in der Fraktion, der wirtschaftspolitische Sprecher der Fraktion, Raimund Tomczak. Eine für Samstag in Königs Wusterhausen (Dahme-Spreewald) angesetzte Pressekonferenz, auf der sich die Fraktionsspitze eigentlich öffentlich zu den Machtkämpfen in der Landes- und der Fraktionsspitze äußern wollte, wurde abgesagt.

Um die Nachfolge als Fraktionschef will sich der Bildungsexperte der Fraktion Jens Büttner aus Templin bewerben. Der 37-jährige Polizist hatte Goetz schon als Generalsekretär der Landespartei beerbt. Eine bedeutendere Rolle in der Fraktion soll auch die junge Potsdamer Abgeordnete Linda Teuteberg spielen. Sie soll von Goetz etwa den FDP-Platz in der Enquete-Kommission des Landtages übernehmen und Vize-Fraktionsvorsitzende werden. Büttner habe ihr auch den Posten der wirtschaftspolitischen Sprecherin der Fraktion angeboten, hieß es.

Teuteberg, die als größtes politisches Talent im Landtag und der märkischen FDP gilt, war von Goetz und Parteichef Heinz Lanfermann systematisch ausgegrenzt worden, wurde aber von Bundespolitikern gefördert. Gezählt sein dürften auch die Tage von Fraktionsgeschäftsführer Amid Jabbour, einem Getreuen von Parteichef Heinz Lanfermann, der für Goetz und Lanfermann auch gegen einige Abgeordnete die Strippen gezogen habe.

Mit dem Abgang von Goetz dürfte sich auch das Klima zwischen denn Oppositionsparteien wieder verbessern. Goetz galt sowohl der CDU als auch den Grünen als kompliziert und teils unmotiviert in der Zusammenarbeit.

Am Samstag wurde deutlich, was Fraktions- und Parteikollegen seit längerem bemängeln: dass Goetz den Kontakt zur Fraktion verloren und abgehoben die Parlamentsgruppe geführt hat. Einige Kollegen sprachen gar von autistischen Führungsmanieren. Obwohl die Kritik an seiner Person seit Monaten nicht abriss, gab sich Goetz nun völlig überrascht von der Lage und er erklärte: „Ich durfte zur Kenntnis nehmen, dass ich das für das Amt erforderliche Vertrauen nicht mehr besitze." Er bemängelte, das er die Stimmungslage unter seinen Kollegen schwarz auf weiß vor zwei Tagen in den PNN zu lesen bekam: Er empfinde die „Mitteilung dieses Umstandes über eine Tageszeitung als persönlich sehr enttäuschend“. Ihm liege „der Erfolg der FDP, der Fraktion und freiheitlichen Gedankengutes insgesamt so sehr am Herzen, dass ich nicht durch eigenes Beharren diesem Erfolg im Wege sein möchte“, so Goetz. Nach der offensichtlichen Komplettmeuterei seiner Mannschaft bemühte er sich noch, den Eindruck zu erwecken, dass er noch irgendwie Herr des Verfahrens sei und erklärte, er lade für „den 10. August zu einer Fraktionssitzung zur Neuwahl eines/einer Vorsitzenden“ ein.

Goetz legte auch alle, mit dem Fraktionsvorsitz verbundenen Ämter nieder: Er erklärte „meinen Rückzug aus Hauptausschuss und Enquete-Kommission“. Auch wegen der Besetzung der FDP-Stelle in der Enquete-Kommission zur Untersuchung des Umgangs mit dem DDR-Erbe im Nachwende-Brandenburg mit sich selbst war das Ex-SED-Mitglied Goetz, der zu DDR Zeiten auch noch an der SED-Hochschule für Staat- und Recht in Potsdam arbeitete, in die Kritik geraten. Auch, weil Teuteberg, die sich seit Jahren auf dem Gebiet engagiert, demonstrativ nicht berücksichtigte.

Wie berichtet, gab es in der Landes-FDP massive Bestrebungen Goetz als Fraktionsspitze abzulösen. Er wird dafür verantwortlich gemacht, dass die Fraktion der Liberalen politisch in ihren Kernfeldern Wirtschaft, Bildung und Bürgerrechte nicht in Erscheinung tritt. Zudem wird ihm ein starrsinniger Führungsstil und eigene Profillosigkeit vorgeworfen.

Nicht entschieden ist der Machtkampf auf Landesebene, wo es ebenfalls Bestrebungen von Orts- und Kreisverbänden und großen Teilen des Landesvorstandes gibt, auch Parteichef Lanfermann abzulösen. Am Freitag hieß es, Lanfermann werde vermutlich im kommenden Jahr auf einem Parteitag nicht mehr für das Amt kandidieren. Angesichts seiner Verdienste und Erfolge wolle man ihn in Würde verabschieden. Unter Lanfermann hatte die FDP im Jahr 2009 nach 15 Jahren den Wiedereinzug in den Landtag geschafft.

Schon auf dem vorigen Landesparteitag hatte es massive Kritik am Führungsduo Lanfermann/Goetz gegeben. Auf großes Unverständnis stieß etwa, dass Goetz selbst in die Enquete-Kommission ging und damit die junge, bundesweit als FDP-Nachwuchstalent geltende Potsdamer FDP-Abgeordnete Linda Teuteberg ausbootete, die sich seit Jahren in Vereinen für SED-Opfer engagiert. Wie Büttner die Fraktion aus der Krise führen will, ist unklar.

Intern bereits deutlich gemacht hat Büttner, dass sich auch insgesamt das Auftreten der Landespartei gegenüber der Bundespartei ändern müsse. Landeschef Lanfermann und Goetz seien zu passiv aufgetreten und hätten auch die vorhandene Kritik der Basis an der Bundespolitik in Berlin nicht offen vertreten. So hätten weder Lanfermann noch Goetz widersprochen als vor wenigen Wochen die FDP-Bundesspitze um Außenminister und Parteichef Guido Westerwelle den Landes- und Kreisverbänden nach einer Krisenklausur vorwarf, unfähig zu sein, die Bundespolitik vor Ort positiv zu vertreten – daher resultiere auch ein Großteil der schlechten Stimmung in der Bevölkerung und an der Parteibasis. Büttner hatte daraufhin intern geäußert, das dürfe man sich nicht bieten lassen – denn große Teile der FDP-Basis hätten Probleme, die Politik zu vertreten. „Schließlich“, so Büttner damals, „verstehe er vieles“ wie die Mehrwertsteuersenkung für Hotels und neue Belastungen bei unteren Einkommensgruppen „selbst nicht“.

Welchen Kurs aber die Fraktion genau einschlagen wird unter Büttner, ist noch unklar. Auf seine Initiative setzen sich die Liberalen im Landtag, ungewöhnlich für Liberale, für kostenlose, also komplett vom Staat finanzierte Schulbusse ein, bisher eine Forderung der Linken. Fest steht, dass Büttner die Oppositionsarbeit auf drei Schwerpunktfelder konzentrieren will: Wirtschaft, Bildung, Bürgerrechte.

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