Brandenburg: Chipfabrik droht Insolvenz
Mit Befreiungsschlag versucht Communicant, Bürgschaftsausschuss umzustimmen
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Mit Befreiungsschlag versucht Communicant, Bürgschaftsausschuss umzustimmen Von Michael Mara Potsdam/Frankfurt (Oder). Mit einem Befreiungsschlag will die Communicant AG offenbar die Chipfabrik in Frankfurt (Oder) vor der drohenden Insolvenz retten. Communicant teilte gestern überraschend mit, dass der Business-Plan für das Milliarden-Projekt gemeinsam mit dem US-Institut Gartner überarbeitet worden sei. Damit soll der interministerielle Bürgschaftsausschuss von Bund und Land umgestimmt werden, der bislang eine beantragte Staatsbürgschaft über 650 Millionen Euro nicht genehmigen will. Die Zeit drängt. Denn nach Informationen aus der Landesregierung sollen der Communicant AG schon in wenigen Tagen die Geldmittel ausgehen. Die nächste „Baurate“ des Hauptinvestors Dubai wäre am morgigen 5. November fällig. Doch das Emirat will dem Vernehmen nach die dringend benötigten Gelder nur überweisen, wenn Bund und Land das 1,3-Milliarden-Dollar-Projekt zur Hälfte verbürgen. In der Landesregierung wird die Lage bei Communicant inzwischen als „ernst“ bewertet. Wie es heißt, soll das Unternehmen Rechnungen nicht bezahlen und Lieferanten abweisen. Auch die dem Institut für Halbleiterphysik (IHP) in Frankfurt (Oder) von Communicant überlassenen komplizierten Anlagen zur Entwicklung und Erprobung der Hochleistungs-Chips sind bislang nur teilweise bezahlt. Communicant soll bei Ausrüstern noch mit Millionen in der Kreide stehen. Nach anderen Berichten sollen ausländischen Spezialisten wegen der kritischen Finanzlage bereits vor geraumer Zeit Zusatzleistungen gekürzt worden sein. Vor diesem Hintergrund drängt die Landesregierung – Brandenburg ist über eine Gesellschaft selbst mit rund 40 Millionen Dollar an der Fabrik beteiligt – auf eine kurzfristige Sitzung des interministeriellen Bürgschaftsausschusses noch in dieser Woche. Die Sorge ist groß, dass ohne eine grundsätzliche Zustimmung des Ausschusses eine Insolvenz nicht abgewendet werden könne. „Wenn Dubai nicht zahlt, ist der Punkt erreicht, wo der Vorstand handeln muss“, so ein Kabinettsmitglied gestern wörtlich. Hingegen zeigt der Bund nach PNN-Informationen bislang wenig Neigung, überstürzt eine folgenschwere Entscheidung zu treffen. In der Landesregierung glaubt man deshalb, dass die zuständigen Bundesministerien für Wirtschaft und Finanzen auf den „natürlichen Tod“ der Chipfabrik setzten. Ein Kabinettsmitglied gegenüber den PNN: „Die Insolvenz von Communicant wäre für den Bund die einfachste Art und Weise, sich das leidige Problem vom Hals zu schaffen.“ Andererseits verweisen informierte Bundesbeamte darauf, dass auch die Finanz- und Wirtschaftsministerien Brandenburgs im Bürgschaftsausschuss vertreten und bislang alle Beschlüsse einstimmig gefasst worden seien. Auf seiner letzten Sitzung im Oktober hatte er dem Projekt wegen der weiterhin nicht erfüllten formalen „Eckpunkte“ für die Bürgschaft und wegen der nicht gegebenen „wirtschaftlichen Tragfähigkeit“ aus haushaltsrechtlichen Gründen eine klare Absage erteilt. Er stützte sich nicht zuletzt auf das Gartner-Gutachten. Nach dem neuen Businessplan ist jetzt offenbar ein „modularer“, also stufenweiser Ausbau vorgesehen. Allerdings wären nach PNN-Informationen damit nur ein Teil der Bedenken des Bürgschaftsausschusses ausgeräumt. Die Vorbehalte zur Finanzkonstruktion und der Höhe der Staatsbürgschaft bestünden fort, erfuhren die PNN aus informierten Kreisen. Ein Kompromiss könnte nach Ansicht von Brandenburger Politikern darin bestehen, die Bürgschaft in Raten auszureichen und an Auflagen zu knüpfen. Ob dies zulässig ist, ist unklar. Andererseits wird in Potsdam davon ausgegangen, dass Dubai bei einer an Auflagen geknüpften Bürgschaft die fällige Rate zahlen und eine Insolvenz so fürs erste vermieden würde. Die Entscheidung dürfte wegen nötiger Prüfungen des Bundes jedoch erst nach dem 5. November fallen. Angesichts des Zeitverzuges von fast zwei Jahren drängt auch der ebenfalls an Communicant beteiligte US-Chiphersteller Intel auf eine schnelle Entscheidung. „Das Risiko steigt mit jedem Tag“, so Deutschland-Chef Günther Jünger.
Michael Mara
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