Brandenburg: Ciceros Wurmfortsatz
In Potsdam scheiterten Ermittlungen gegen Journalisten, in Berlin wird noch ein bisschen ermittelt
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Potsdam / Berlin - In Potsdam ist der Fall „Cicero“ vorerst abgeschlossen, in Berlin beschäftigt die Affäre die Ermittler dagegen noch immer: Die Staatsanwaltschaft Berlin ermittelt weiter gegen den Journalisten Bruno Schirra wegen des Verdachts auf Beihilfe zum Geheimnisverrat. Das Verfahren in Berlin werde unabhängig vom Scheitern einer Anklage gegen Schirra in Potsdam geführt, sagte gestern ein Sprecher der Berliner Justiz gegenüber den PNN. Am Montag war bekannt geworden, dass die Staatsanwaltschaft Potsdam mit dem Versuch gescheitert ist, Schirra und einen Schweizer Kollegen im Fall „Cicero“ wegen Beihilfe zum Geheimnisverrat anzuklagen: Das Landgericht Potsdam hatte es abgelehnt, ein entsprechendes Verfahren überhaupt zur Verhandlung zuzulassen.
Schirra hatte im März 2005 in einem Beitrag für das damals in Potsdam ansässige Magazin „Cicero“ aus einem vertraulichen Dossier des Bundeskriminalamtes (BKA) über den jordanischen Top-Terroristen Abu Mussab al Sarkawi zitiert. Im Herbst vergangenen Jahres hatten Ermittler des Landeskriminalamtes Brandenburg und des BKA in einer spektakulären Aktion die Potsdamer Redaktionsräume von Cicero sowie Schirras Privathaus durchsucht. Die Ermittler hatten der Cicero-Redaktion und ihrem Autor Schirra vorgeworfen, durch die Veröffentlichung der angeblich streng geheimen Unterlagen an dem Verrat von Dienstgeheimnissen mitgewirkt zu haben. Bei Schirra selbst hatten die Ermittler zehn Kisten mit Unterlagen beschlagnahmt – nur der Teil eines Umzugskartons hatte allerdings mit dem Cicero-Beitrag zu tun. Stattdessen hatten sie Rechercheunterlagen zu anderen brisanten Themen – etwa dem deutsch-französischen Leuna-Skandal und der CDU-Parteispendenaffäre –, die mit dem eigentlichen Verfahren nichts zu tun hatten, abtransportiert. Diese dann von den Ermittlern als „Zufallsfunde“ deklarierten Unterlagen hatten die Potsdamer dann den Berliner Ermittler übergeben, da einige der Unterlagen aus einem Untersuchungsausschuss des Bundestages stammten, also ebenfalls „geheim“ waren. Die Berliner Staatsanwaltschaft muss nun auf Geheiß der Bundestagsverwaltung die undichte Stelle im Bundestag und seiner Verwaltung suchen.
Die Berliner Beamten hatten schon von Anfang wenig Interesse an dem Fall. Ein Ermittler hatte vor einigen Monaten gegenüber den PNN gesagt, man habe besseres zu tun, als Journalisten und ihren Quellen hinterher zu spionieren. Nach dem Scheitern ihrer Potsdamer Kollegen vor Gericht, werde man wohl nun eine „Schamfrist“ verstreichen lassen, um auch das Berliner Verfahren zu beenden, hieß es gestern aus Ermittlerkreisen in Berlin. Die Suche nach den Quellen von Journalisten habe noch nie zu einer Verurteilung geführt. „Wir haben hier den Wurmfortsatz eines Verfahrens, das es nie hätte geben dürfen; wir haben Unterlagen, die wir nie hätten erlangen dürfen“, hieß es mit Verweis auf die umstrittene Beschlagnahme bei Schirra weiter.
Das Potsdamer Gericht hatte im Fall „Cicero“ die Eröffnung des Verfahrens gegen Schirra abgelehnt, da „hinreichender Tatverdacht“ gegen den Journalisten nicht bestehe (gegen das Magazin war das Verfahren schon früher eingestellt worden). Zum einen sei der BKA-Bericht schon 2004 in einem Buch eines französischen Journalisten zitiert und damit das Geheimnis bereits verraten worden. Außerdem sei der Geheimnisverrat – der nur für Beamte und Angestellte des öffentlichen Dienstes strafbar ist – schon mit der Herausgabe der BKA-Unterlagen durch den noch immer unbekannten Beamten vollendet gewesen, nicht erst mit der Veröffentlichung in Cicero. „Eine Beihilfehandlung“, so das Gericht, „ ist nicht mehr möglich."Peter Tiede
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