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Bestechlichkeit bei der Polizei: Cottbuser Verhältnisse
Ein Kriminalbeamter verriet Dienstgeheimnisse, der Chef einer Sicherheitsfirma dankte es ihm mit teuren Autos. Beide sind nun angeklagt. Die Polizei deckte weitere Fälle auf – bis in die mittlere Führungsebene
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Cottbus - Beide kennen sich schon lange. In den 1990er-Jahren waren sie bei der Polizei in Cottbus, der eine blieb dabei, der andere gründete ein Sicherheitsunternehmen und wurde Sicherheitschef beim Fußball-Drittligisten FC Energie Cottbus. Nun sind beide vor dem Amtsgericht Cottbus angeklagt, der Beamte wegen Bestechlichkeit und Verletzung von Dienstgeheimnissen; André W., der Inhaber des Sicherheitsunternehmens, wegen Bestechung. Frühestens im ersten Quartal des Jahres 2015 kann der Prozess vor dem Amtsgericht eröffnet werden. Ein normaler Korruptionsfall also, eine Männerfreundschaft, bei der sich Privates und Dienstliches vermischten, wo nicht klar war, dass Dienst Dienst ist und Schnaps Schnaps. Mitnichten! Am Ende löste der Fall weitere interne Ermittlungen und neue Verfahren in der Polizeidirektion Süd aus – bis hinein in die mittlere Führungsebene.
Der angeklagte Kriminalbeamte, der seit mehr als einem Jahr suspendiert ist, war operativ in einem ganz besonderen Milieu tätig, das sich über Jahre in Cottbus und in der Lausitz entwickelt hat. Wo die Grenzen zwischen kriminellen Rockern, gewaltbereiten Hooligans aus dem Energie-Umfeld, Neonazis, aber auch Kampfsportlern, Mitarbeitern von Security-Diensten und auch Türsteher-Milieu nicht immer klar zu erkennen waren, ganz im Gegenteil. André W. wiederum musste als Ex-Polizist, als Inhaber einer Sicherheitsfirma, aber auch als Sicherheitschef beim Fußballklub Energie Cottbus, der wegen seines laxen Umgangs mit rechten Fans unter Druck stand, gewusst haben, worum es ging.
Ende März eröffnete die brandenburgische Schwerpunktstaatsanwaltschaft in Neuruppin ein Ermittlungsverfahren gegen den 52-jährigen Beamten und seinen alten Freund wegen Korruptionsverdacht. Anfangs ging es noch um Vorteilsannahme bei dem Beamten und Vorteilsgewährung bei dem Sicherheitsmann von Energie Cottbus. Im Zuge des Verfahrens, nach Hausdurchsuchungen verschärften die Ermittler den Tatvorwurf auf Bestechlichkeit, Verrat von Dienstgeheimnissen und Bestechung.
Der Kriminalbeamte soll laut Anklage zwischen 2008 und 2013 Dienstgeheimnisse verraten haben, indem er Daten zu Personen und Autokennzeichen aus dem Auskunftssystem der Polizei an seinen früheren Kollegen weitergab. Sei es etwa, um potenzielle Mitarbeiter zu überprüfen, für welche Jobs sie in Frage kommen. W. soll dem Polizisten im Gegenzug Oberklasse-Wagen aus seiner Firmenflotte privat überlassen haben.
In Cottbus selbst war die enge Verbindung zwischen dem Beamten und dem Sicherheitsmann ein offenes Geheimnis und auch in der Szene bekannt. Dennoch löste der Fall in der Polizeidirektion Süd reichlich Unruhe aus.
Polizeipräsident Arne Feuring griff hart durch. Noch im April setzte er eine interne Untersuchungskommission mit Beamten aus anderen Direktionen ein. Sie sollte nach Angaben des Polizeipräsidiums „das dienstliche Umfeld des strafrechtlich beschuldigten Beamten sowie möglicherweise korruptive Verstrickungen weiterer Bediensteter im Rahmen interner Vorermittlungen zu untersuchen“. Und die Beamten wurden fündig. „Im Ergebnis wurden insgesamt drei laufende Disziplinarverfahren, einschließlich des beschuldigten Beamten, eingeleitet“, sagte Polizeisprecher Rudi Sonntag den PNN. In einem Fall sei sogar eine mittlere Führungskraft der Polizeidirektion Süd betroffen. „Als weitere Konsequenz aus dem Bericht der internen Untersuchungskommission wurden dienstorganisatorische Veränderungen in der Polizeidirektion Süd vorgenommen“, erklärte Sonntag. Im Klartext: Es ging an die Strukturen. Es sei Aufgabe der Behörde „im Rahmen der allgemeinen Korruptionsprävention die unterschiedlichsten personellen und organisatorischen Maßnahmen zu strukturieren und zu treffen“, um „jegliche Beeinträchtigung der Vertraulichkeit dienstinterner Informationen zu unterbinden“, so Sonntag. Dazu gehöre auch die Vertraulichkeit von Personaldaten.
Auf die Frage, ob bei den internen Untersuchungen festgestellt wurde, ob durch die von dem angeklagten Beamten weitergereichten Daten auch Ermittlungen der Polizei zu rechtsextrem motivierter Kriminalität, zu Rockerkriminalität oder in der Hooliganszene behindert oder beeinträchtigt worden seien, sagte Sonntag: „Derartige Feststellungen hat es nicht gegeben.“
Im Zuge des bevorstehenden Prozesses hofft die Polizei dennoch auf weitere Hinweise auf dienstliche Verfehlungen des angeklagten Beamten, wie Sonntag sagte. Im Fall des Beamten geht das Landgericht Cottbus aber offenbar im Fall einer Verurteilung von weniger als vier Jahren Haft aus. Zugelassen wurde die Anklage – in Abhängigkeit von der zu erwartenden Strafe – vor dem Schöffengericht des Amtsgerichts. Dies verhandelt Fälle, bei denen die Urteile nicht auf mehr als vier Jahre Haft lauten. Die Richter in Cottbus gehen offenbar schon jetzt von einem minderschweren Fall aus. Bei Bestechlichkeit, Geheimnisverrat und Bestechung drohen je bis zu fünf Jahren Haft, in minder schweren Fällen geht es um Geldstrafen oder Haftstrafen bis zu drei Jahren. Über die berufliche Zukunft des Beamten bei der Polizei wird erst nach einem Urteilsspruch befunden. Die Grenze für den Verlust des Beamtenstatus’ liegt bei einer Verurteilung zu mehr als einem Jahr Freiheitsstrafe.
André W. war am Montag weiter auf der Internetseite des FC Energie als Sicherheitsbeauftragter verzeichnet.
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