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Steffen Krüger, Geschäftsführer von Agowa genomic im Labor in Berlin. Die Realität, sagt er, ist nicht ganz so schillernd wie die TV-Serie. So mancher echte Fall kann aber bisweilen genauso spannend sein.

© Kitty Kleist-Heinrich

Von Jörg Oberwittler: CSI an der Spree

Von Scotland Yard nach Berlin: Agowa genomics untersucht DNA-Spuren – auch fürs LKA Brandenburg

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Berlin - Ob Haare, Hautschuppen, Blutreste oder Speichel: Fast jeder Täter hinterlässt am Schauplatz des Verbrechens unbewusst seine DNA. Entdeckt wird dieser „genetische Fingerabdruck“ im Labor der Firma „Agowa genomics“ in Berlin-Oberschöneweide. Vier Labormitarbeiter untersuchen hier zum Beispiel blutige Taschentücher, weggeworfene Zigarettenkippen oder Tatwaffen auf Hinweise. „Uns reichen schon geringste DNA-Mengen aus“, sagt Agowa-Chef Steffen Krüger und muss Verbrecher enttäuschen: „Es besteht immer eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass wir einen genetischen Fingerabdruck erhalten.“ Dabei verweist er auf spektakuläre Fälle, unter Kriminalistikexperten „Cold Cases“ genannt, bei denen noch nach 15 Jahren die DNA aus Blutspuren von Wänden erfolgreich extrahiert werden konnte. Selbst wenn die Wand in der Zwischenzeit schon dreimal überstrichen wurde.

Im Herbst vergangenen Jahres hatte der Ex-Chef von Scotland Yard, Lord Stevens, das Labor in unmittelbarer Nähe zum Spree-Ufer eröffnet. Agowa genomics fungiert dabei als Außenstelle des Mutterkonzerns „LGC Forensic“ aus Großbritannien, in dessen Vorstand Stevens mittlerweile sitzt. Die Firma war einst als „Laboratory of the Government Chemnist“ ein staatliches Unternehmen. Die DNA-Proben werden in Kooperation mit einem Schwesterlabor in Köln untersucht. Sind in Großbritannien forensische Dienstleistungen für Behörden, wie Landeskriminalämter, mittlerweile gang und gäbe, ist in Deutschland die Auslagerung von Untersuchungen auf private Anbieter von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Derzeit arbeitet die LGC mit dem Bundeskriminalamt sowie den Landeskriminalämtern Brandenburg, NRW, Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt zusammen. Brandenburgs LKA hatte nach der Wende bis zum Umzug vor zwei Jahren in unmittelbarer Nähe des LGC-Labors seine eigene kriminaltechnische Abteilung untergebracht.

Dennoch: Forensische Untersuchungen sind in Deutschland ein Wachstumsmarkt. In Großbritannien – dem Mutterland des DNA-Tests – werden zum Beispiel mittlerweile auch die Ballistik und Materialuntersuchungen, etwa an bei Einbrüchen zerstörten Glasscheiben, an externe Labors herausgegeben. Das LKA Berlin arbeitet derzeit bei der DNA-Analytik nur mit der Rechtsmedizin der Charité zusammen. Polizei-Pressesprecher Thomas Goldack hält es allerdings für eine „realistische Option“, kriminaltechnische Dienste auch in andere Laboratorien auszulagern, „sofern ein nachhaltiger Bedarf besteht“ und die Kostenfrage geklärt sei.

Seit der Gründung hat sich die Zahl der Mitarbeiter in Berlin auf vierzig verdoppelt. Außer forensischen Dienstleistungen für die öffentliche Hand machen die Molekularbiologen an der Spree vor allem genetische Untersuchungen für Pharma- und Biotechfirmen in ganz Europa. Neben München sei Berlin das „Biotech-Cluster“ Deutschlands, sagt Krüger. Ein wichtiger Grund, warum sich das Unternehmen neben Köln für den Standort Berlin entschieden hat. Untergekommen ist das junge Unternehmen im Technologie- und Gründerzentrum Spreeknie. Die vielen freien Laborflächen, hochkarätige Forschungseinrichtungen, der gut ausgebildete Nachwuchs und die gute Infrastruktur hätten eindeutig für Berlin gegenüber einem Standort in Brandenburg gesprochen.

Neben Blut finden die Ermittler am häufigsten „Kontaktspuren“ wie Hautzellen, Speichel und Haare am Tatort eines Mordes oder Einbruchs. Zum Beispiel in einem weggeworfenen Taschentuch oder einem benutzten Handschuh. Mithilfe von Vortests auf Blut, Aminosäuren, Speichel und Sperma erhalten die Labormitarbeiter erste Hinweise auf menschliches Zellmaterial. Unterm Mikroskop können sie die Fundstücke zudem nach feinsten Härchen und kleinsten Hautzellen absuchen. Werden sie zum Beispiel auf dem Handschuh fündig, können sie einen Teil herausschneiden, in ein Reagenzglas legen und aus den enthaltenen menschlichen Zellen in einem automatischen Prozess die DNA extrahieren. Das anschließende DNA-Profil kann eindeutig einer Person zugeordnet werden und sie so als Spurenleger identifizieren.

So einfach wie im Fernsehen ist es natürlich nie. In der amerikanischen Krimiserie „CSI“ liegt die Aufklärungsquote bei an die hundert Prozent. Doch wenn das Gespräch auf die beliebte TV-Reihe kommt, kann sich Agowa-Chef Steffen Krüger ein Schmunzeln nicht verkneifen. „Das ist doch alles sehr unrealistisch, was da gezeigt wird“, sagt er. Im Labor trügen seine Mitarbeiterinnen keine gelockten Haare, sondern Haarnetze. Und was in der Serie bereits nach zehn Minuten als Ergebnis im Computer aufploppt, dauert in echt wohl eher zehn Tage. „Die Realität ist da nicht ganz so schillernd wie die TV-Serie“, sagt er und schiebt nach: „So mancher echte Fall kann aber bisweilen genauso spannend sein.“

Jörg Oberwittler

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