
© Matthias Matern
Binnenhochwasser: „Da hilft nur pumpen, pumpen“
Wieder steht das Oderbruch unter Wasser. Eigentlich sollte sich was ändern. Hat es nicht, sagen die Bauern
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Bliesdorf - Noch immer sind die Spuren der Überschwemmungen vom vergangenen Jahr nicht ganz beseitigt – weder die finanziellen noch die auf Piet van Casterens Hof selbst. Mit seinem VW-Pritschenwagen holpert der Niederländer über den kleinen Feldweg entlang des Friedländer Stroms. Jetzt fließt das rund zwei Meter breite Bächlein harmlos unter schattigen Bäumen an der Agrar GmbH in Bliesdorf (Märkisch-Oderland) vorbei. Nur die lange Reihe sorgsam gestapelter Sandsäcke erinnert an den Ausgust 2010, als der sogenannte Vorfluter für van Casteren zum Problem wurde: Nach außergewöhnlich heftigen Regenfällen werden weite Teile des Oderbruchs überflutet. Auch der Friedländer Strom tritt über die Ufer und setzt die nahen Ställe und Schuppen von van Casterens Bauernhofs unter Wasser. „Außerdem war rund ein Drittel unseres Ackerlandes überflutet“, berichtet der Bauer und steuert auf eine große Wiese zu.
Wie bei vielen Landwirten der Region hatte das Binnenhochwasser 2010 auch bei den van Casterens nicht nur große Teile der Getreideernte vernichtet, auch konnten die Felder nicht für die Wintersaat vorbereitet werden. Neben dem Ackerbau halten die Niederländer rund 570 Rinder. „Erstmals mussten wir Futter zukaufen“, erzählt von Casteren. Den Schaden hat das Ehepaar von einem Gutachter schätzen lassen. „70 000 bis 80 000 Euro“, behauptet der Landwirt.
Einige seiner Flächen konnte van Casteren erst wieder im vergangenen März trockenen Fußes begehen. Jetzt steht das Wasser schon wieder an einigen Stellen knöcheltief. Die schweren Regenfälle Ende Juli haben vor allem die Futterwiesen in einen Sumpf verwandelt. Van Casteren stapft über die Wiese, bei jedem Schritt versinken seine Schuhe schmatzend in dem Morast. „Da können sie das Mähen vergessen“, sagt er und schüttelt den Kopf.
Vor rund 14 Jahren ist Piet van Casteren mit seiner Ehefrau Greet in das Oderbruch gezogen. „Es gab hier für uns die Möglichkeit, einen großen Betrieb zu kaufen“, erzählt der Landwirt. Rund 1,5 Millionen Euro haben die beiden nach eigenen Angaben in den Hof investiert. Sie beschäftigen derzeit fünf feste Mitarbeiter. „Wir fühlen uns hier wohl, werden akzeptiert“, versichert Greet van Casteren. Wie viele Oderbruch Bauern halten auch die beiden Niederländer den Zustand der Entwässerungskanäle für Schuld an den immer wiederkehrenden Überflutungen. Die Kanäle seien einfach zu sehr zugewachsen und versandet, meint Piet van Casteren. Der Friedländer Strom etwa soll als Vorfluter eigentlich bei starken Regenfälle Wasser aus kleineren Gräben aufnehmen und den Abfluss gewährleisten. „Ostern sind wir mal den Fluss mit einem Paddelboot abgefahren. Ich habe wirklich einen Schreck bekommen wie zugewachsen der an einigen Stellen ist“, meint Ehefrau Greet.
Seit dem Binnenhochwasser 2010 wird zwischen dem Landesbauernverband und dem Land Brandenburg heftig gestritten, wer für die Pflege der Entwässerungsgräben verantwortlich ist. Die rot-rote Landesregierung verweist auf den örtlichen Boden- und Abwasserverband, der im Auftrag des Landes die Hauptkanäle zu pflegen habe. Die Bauern werfen Rot-Rot vor, zu wenig Mittel bereitzustellen und eine schleichende Renaturierung des Oderbruchs auf Kosten der Landwirte voranzutreiben.
Unterdessen will das Land bis 2013 rund 12 Millionen Euro in die „Verbesserung der Abflussverhältnisse der 169 Kilometer langen Landesgewässer im Oderbruch investieren“, kündigte Brandenburgs Umweltministerin Anita Tack (Linke) vor wenigen Tagen an. Unter anderem solle ein abgestimmter Abwehrplan „Binnenhochwasser“ entstehen. Zudem prüfe der Landkreis Märkisch-Oderland Standorte für Hochwasserpumpen, die bei bestimmten Binnenhochwasser-Lagen genutzt werden können, teilte Tack mit.
Ebenfalls in Planung ist die Einführung eines elektronischen Steuerungssystems für die insgesamt 30 Schöpfwerke der Region. Diese leiten bei drohender Überflutung Wasser aus kleineren Gräben in nächstgrößere Kanäle. Kosten soll die zentrale Steuerung 2,3 Millionen Euro. Obwohl das Land bereits im vergangenen Jahr seine Zustimmung signalisiert habe, seien die Mittel dafür noch nicht bewilligt, kritisiert Henrik Wendorff, Vorsitzender des Kreisbauernverbandes Märkisch-Oderland. „Wir haben die Anträge dafür bereits Ende Mai eingereicht, warten jetzt schon drei Monate“, sagt Wendorff. Vom Land heiße es immer nur, es werde noch geprüft, dabei „zählt jede Woche“, meint der Verbandsvorsitzende. Schließlich müsse das Projekt noch ausgeschrieben und die Aufträge vergeben werden, mahnt Wendorff zur Eile. „Wer weiß, wie viel Regen uns der Herbst bringen wird.“
Angaben des Bauernverbandes zufolge liegen die Verluste der Oderbruch-Landwirte durch die neuerlichen Überflutungen bereits wieder im „Millionenbereich“. Greet van Castren schätzt ihren Schaden auf weitere gut 20 000 Euro. „Unsere Rücklagen sind mittlerweile aufgebraucht. Dazu kommt die nervliche Belastung“, sagt sie. Außer Beratungen, Informationsabenden und Plänen sei bislang seitens der Landesregierung nichts gekommen. Von der geplanten Hightec-Steuerung der Schöpfwerke erwartet die Niederländerin ebenfalls keine Verbesserung. „Das bringt nichts.“ Ehemann Piet nickt: „Die Schöpfwerke leiten das Wasser doch nur bis in die Vorfluter und wenn es dort nicht abfließen kann, ist nichts gewonnen“, erläutert der Bauer. Gewässer wie der Friedländer Strom und die weiterführenden Flüsse und Kanäle müssten einfach wieder tiefer ausgebaggert werden, damit sich die Fließgeschwindigkeit erhöhe. „Ansonsten hilft nur pumpen, pumpen, pumpen – Auch Holland bleibt so trocken“, sagt Greet van Casteren.
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