Brandenburg: Danke für den Döner
Die ganze Welt hat Kadir Nurman den Kebab als Snack im Brot zu verdanken. Jetzt starb er mit 80
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Berlin - Es hat ihn bis zum Ende nicht losgelassen. Kadir Nurman hat sich in Imbisse gesetzt und gekostet: Nein, schmeckt nicht richtig, hat er dann oft gedacht, die Soße und die Gewürze übertünchen ja jeden Geschmack! Nach dem Gammelfleischskandal hat er den Herstellern noch Tipps gegeben, wie man alles besser lagern könne. Was heute Kundschaft in aller Welt schmeckt und rund 60 000 Arbeitsplätze allein in Deutschland sichert, hat schließlich er doch mal ersonnen! Kadir Nurman, der Vater des Döner Kebab in Deutschland, ist jetzt im Alter von 80 Jahren verstorben.
Bis vier Wochen vor seinem Tod im Krankenhaus Havelhöhe am Donnerstag hat ihn vor allem seine Tochter Rukiye versorgt. Sie hatte davor den Vater aus Charlottenburg noch zu sich nach Hause genommen, erzählt der Schwiegersohn, Bauingenieur Ahmet Dede. Nurmans zwei Enkel, sie studiert Architektur, er Sozialarbeit, haben den Großvater auf der Palliativ- und in der Hospizstation bis zuletzt besucht, „das Personal dort ist sehr liebenswürdig“, sagt Dede. Beerdigt wird Kadir Nurman, der seinem Lungenkrebsleiden erlag, auf dem muslimischen Friedhof in Gatow. Um ihn trauert auch die Türkisch-Deutsche Unternehmervereinigung Berlin-Brandenburg.
Der 1934 in Anatolien geborene und in Istanbul aufgewachsene einstige Gastarbeiter zog 1960 im Alter von 26 Jahren als gelernter Kaufmann nach Stuttgart. 1966 kam er nach Westberlin und arbeitete als Monteur für Druckmaschinen. Die Deutschen arbeiten so viel und hart, war sein Eindruck, da haben sie oft nicht viel Zeit zum Essen. Kebabfleisch vom Spieß kannte Nurman aus der Türkei, das wurde einst im Palast und bei Reichen einmal die Woche serviert. Und zwar auf dem Teller, mit Reis oder Salat.
Dann kam Kadir Nurman auf die Idee, Döner Kebab (türkisch: „sich drehendes (Grill-)Fleisch“ ins Brot, auf Türkisch Pide, zu packen und als Snack zum Mitnehmen anzubieten. Nurman war Purist: Er packte lediglich Hackfleisch von Lamm oder Kalb mit Zwiebeln ins Brot. Um seinen Geschäftstraum zu verwirklichen, verkaufte er Immobilien in Istanbul – wo Türken heute lieber Asiafood, Burger und Nordsee-Fischbrötchen als Döner Kebab im Brot essen. 1972 eröffnete Nurman einen kleinen Laden gegenüber vom Bahnhof Zoo, dort, wo heute McDonald’s Fastfood verkauft. Früher waren viele Berliner noch skeptisch. Jetzt sitzen da Aco Manolo, 22, aus Kreuzberg, und Ali Hassan, 24, aus Spandau. Burger haben die Arbeiter auf der Zoo-Palast-Baustelle aber nicht gegessen, „da brauchen Männer wie wir ja 20, um satt zu werden“, sagt Hassan. Nein: Es gab Döner aus dem U-Bahnhof. „Ich esse am liebsten mit Joghurtsoße und scharf“, sagt Manolo. Und aus Höflichkeit, „wenn ich eine Frau treffe, ohne Zwiebeln“.
Allein in Berlin gibt es heute 1000, in Deutschland 16 000 Dönerimbisse, 250 Betriebe der deutschen Dönerindustrie beliefern laut Verbandsverein „ATDiD“ rund 80 Prozent des EU-Marktes. 600 Tonnen Fleisch kommen Tag für Tag an den Spieß, der Branchenjahresumsatz: 3,5 Milliarden Euro. Berlins Platzhirsch Remzi Kaplan beliefert selbst den Mittleren Osten. Zu Kadir Nurmans beruflichem Erbe gehört auch der Touristenmagnet Mustafas Gemüsedöner mit Hühnchenfleisch in Kreuzberg mit der obligatorischen Warteschlange. Sogar Fleischabsäbelroboter sind schon erfunden.
Der Döner kommt in einem Song vor, und um ihn ranken sich Legenden. Auch Mehmet Aygün wurde als Berliner „Döner-Erfinder“ gehandelt – und 2009 von den Medien fälschlicherweise für tot erklärt. Aber nein, Aygün soll bei Nurman erst als Putzkraft gearbeitet haben, bevor er die Hasir-Kette gegründet hat, hieß es am Sonnabend. Ein Mitarbeiter vonTadim Döner in Velten wiederum verweist darauf, dass sein Schwiegervater Hatem Duman als Erster am Schlesischen Tor im Keller Fleisch verarbeitet habe. Berlin und Döner Kebab, die Legende lebt.
Annette Kögel
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