Brandenburg: Das Fragezeichen von Leipzig
Airport-Öffnung 2010 ist kaum zu halten / Flughafengesellschaft bleibt trotz Baustopps optimistisch
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Airport-Öffnung 2010 ist kaum zu halten / Flughafengesellschaft bleibt trotz Baustopps optimistisch Potsdam/Leipzig/Berlin – Flughafenplaner haben es nirgendwo leicht. Aber besonders schwer haben es die, die den neuen Großflughafen für Brandenburg und Berlin in Schönefeld planen sollen. Mal scheitern ihre Planungen vor Gerichten, mal werden ihre Unterlagen und Untersuchungen als mangelhaft bewertet. Und nun untersagte gestern das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig die Vorbereitungsarbeiten für den Flughafen Berlin Brandenburg International (BBI), bis das Gericht in der Hauptsache entscheidet. Das wird in diesem Jahr nicht erfolgen – erst im Jahre 2006. Soviel steht wenigstens fest. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts für den Baustopp bis zum Ende des Hauptverfahrens ist in Brandenburg und Berlin unterschiedlich aufgenommen worden. Gegner und Befürworter des Ausbaus legten das Urteil erwartungsgemäß für sich aus. Die Befürworter verweisen darauf, dass das Gericht selbst erklärt hat, der Beschluss sei kein Präjudiz für die Entscheidung im Hauptsacheverfahren. Die Gegner sehen dagegen darin ein „deutliches Zeichen“ dafür, dass das Vorhaben den rechtlichen Anforderungen nicht standhalte, wie der Würzburger Anwalt Wolfgang Baumann sagte, der die Kläger vertritt. In der brandenburgischen Landesregierung sind die Meinungen geteilt. Selbst in der Regierungskoalition aus SPD und CDU. Und selbst innerhalb der CDU. Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) sprach von einem „verheerenden politisch-psychologischen Signal". Dem widersprachen Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns (CDU), Aufsichtsratsvorsitzender der Flughafengesellschaft FBS, und Infrastruktur-Minister Frank Szymanski (SPD), zuständig für das Planfeststellungsverfahren. „Wenn der Pulverrauch verzogen ist, wird sich herausstellen, dass das Projekt weitergeht“, sagte Junghanns. Er teile Schönbohms Auffassung nicht. Zwar hätte er sich ein anderes Urteil gewünscht, sagte Szymanski. Dennoch sei er zuversichtlich, dass der Planfeststellungsbeschluss aus seinem Hause bei der Hauptsache-Entscheidung des Gerichtes Bestand haben werde. Er begrüßte ausdrücklich, dass das Bundesverwaltungsgericht schon im ersten Halbjahr 2006 entscheiden will. Insofern sei der Zeitverzug auf einige Monate begrenzt. Nach PNN-Informationen rechnet die Regierung intern allerdings mit einer Verzögerung „von rund einem Jahr“. Gefordert wird, dass der Aufsichtsrat schnell Konsequenzen zieht. Unklarheit herrscht in Potsdam darüber, welche Auswirkungen die Eilentscheidung von Leipzig auf die laufenden Finanzierungsverhandlungen hat, die derzeit von den FBS-Gesellschaftern Bund, Berlin und Brandenburg mit Banken geführt werden. FBS-Aufsichtsratschef Junghanns wollte nicht von einem Rückschlag sprechen. Mit einem solchen vorläufigen Beschluss sei immer zu rechnen gewesen. „Die Finanzierungsgespräche standen immer unter dem Fragezeichen von Leipzig", so Junghanns. Auch im Landtag waren die Reaktionen gegensätzlich: Die oppositionelle PDS sieht sich durch die neue Gerichtsschlappe in ihrer Ablehnung des Flughafens bestätigt. Verkehrsexpertin Anita Tack prophezeite, dass das Projekt im nächsten Jahr in Leipzig Schiffbruch erleiden werde. Sie forderte, die im Haushalt vorgesehenen Mittel für Vorbereitungsarbeiten – 30 Millionen 2005 und 36 Millionen 2006 – zu sperren. Der Leipziger Beschluss ordne sich ein in „eine Kette von juristischen Niederlagen.“ Tack: „Die Landesregierung torpediert das Projekt selbst.“ Dem widersprach das Infrastrukturministerium: Der für Verkehrspolitik zuständige Abteilungsleiter Rainer Bretschneider sagte, seit 1991 seien 15 luftfahrtrechtliche Prozesse zum Flughafen Schönefeld und zum Raumordnungsverfahren geführt worden: „Wir haben alle gewonnen: Es gibt auch in der aktuellen Urteilsbegründung kein einziges juristisches Argument gegen den Planfeststellungsbeschluss.“ Bis Anfang 2006 ändere sich an den Planungen nichts, meinte gestern auch ein Flughafensprecher. Das Gericht habe nämlich bauvorbereitende Arbeiten zugelassen, die im so genannten Rahmenterminplan vorgesehen waren. So können Altlastenflächen untersucht und Sanierungsmaßnahmen vorgenommen, Baufelder freigemacht und Maßnahmen zur Grundwasserabsenkung durchgeführt werden. Nur neu gebaut werden darf nichts außerhalb des bestehenden Flugplatzes. So wird es trotz allem Zweckoptmismus nichts mit dem Baubeginn des unterirdischen Bahnhofs unter dem geplanten Terminal – geplant für Anfang 2006. Dadurch gerät der gesamte Terminplan ab 2006 ins Wanken. Positive Stimmung zu verkaufen versuchte indes gestern die Flughafengesellschaft: Die Verzögerung wolle man nutzen, um durch „intensivierte Planungen“ weitere Verspätungen auf ein Minimum reduzieren zu können, heißt es in einer Erklärung. Eine solche Sprachregelung hatte Peter Stange, der Sprecher des Bürgerverbandes Brandenburg-Berlin (BVBB), in dem sich über 4000 Ausbaugegner organisiert haben, vorhergesagt. Der Vorsitzende des BVBB, der einstige Manager aus der Tabakindustrie und frühere Kohl-Berater Ferdi Breidbach, erklärte gestern, die Chancen, den Planfeststellungsbeschluss nun noch durchsetzen zu können, gingen „gegen Null“. Er appellierte an alle Beteiligten, jetzt nach einem neuen Standort zu suchen. Sperenberg – der Standort, der von Fachleuten schon in den 90er Jahren favorisiert, von der Politik aber verschmäht worden war, – sei die richtige Lösung. Davon wollen die Schönefeld-Befürworter jedoch weiter nichts wissen. Die Planungen für den dortigen Ausbau gingen weiter, teilten der Flughafen und das Bundesverkehrsministerium mit. Die Entscheidung für den Baustopp sei keine Entscheidung in der Sache, sagte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD). Das Gericht habe „auf Grund der Komplexität der Materie eine Verfahrensentscheidung getroffen.“ Mehr nicht. Die Berliner CDU, forderte Wowereit auf, sofort eine „Task-Force BBI“ zu bilden, um das größte Infrastrukturprojekt Ostdeutschlands retten zu können. 1996 waren es der damalige Regierende Bürgermeister von Berlin Eberhard Diepgen und Bundesverkehrsminister Matthias Wissmann (beide CDU), die sich mit dem Standort Schönefeld gegen alle Bedenken der Raumplaner gegen Brandenburg durchgesetzt hatten. Brandenburgs damaliger Regierungschef, Manfred Stolpe (SPD) wollte lieber Sperenberg. Als Bundesverkehrsminister muss er nun für Schönefeld vor Gericht in Leipzig kämpfen.
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