Position: Das Glasperlenspiel - Mut zur Lücke
Eine kritische Bilanz von mehr als drei Jahren Rot-Rot in Brandenburg. Teil 3
Stand:
Das, was die Linke in den Koaltionsverhandlungen und bei der Regierungsbildung mit sich machen ließ, beziehungsweise nicht verhinderte, war aber nur der Anfang, zieht sich auch durch den Regierungsalltag.
Kerstin Kaiser nannte den Koalitionsvertrag ein „Korsett mit Mut zur Lücke“, den es für einen Politikwechsel in Brandenburg auszufüllen gelte. Nur, was lässt sich davon nach drei Jahren bilanzieren, wo sind die Lücken Lücken geblieben, welche sind hinzugekommen und wer hat welche Erfolge vorzuweisen?
- Die SPD hat zunächst innerhalb von 14 Monaten drei Minister verloren und auswechseln müssen. Zwei Minister mussten nach persönlichen Affären - während derer die Linke der SPD treu zur Seite stand - zurücktreten. Eine weitere Ministerin verzichtete aus Überforderung auf ihr Amt.
- Das SPD-geführte Innenministerium hat die Residenzpflicht für Asylsuchende gelockert.
- Die Musikschulen des Landes erhalten durch das SPD-geführte Bildungsministerium eine höhere Mittelzuweisung.
- Der SPD-Arbeitsminister kann sich die Einführung des Landesvergabegesetzes auf die Fahne schreiben.
- Der SPD-Innenminister konnte die geplante Polizeireform - jedenfalls rhetorisch - abschwächen und so eine höhere Zustimmung erreichen.
- Die Kommunen erhalten mehr Geld, um nicht vollends ihrer Handlungsfähigkeit beraubt zu sein.
- Der Justizminister konnte alle Amtsgerichtsstandorte erhalten.
Nach drei Jahren Linker Regierungsbeteiligung bleibt auch festzustellen:
- Das Prestigeprojekt der Linken - der öffentliche Beschäftigungssektor (ÖBS) - ist dem Rotstift zum Opfer gefallen. Von 15 000 im Wahlprogramm versprochenen Stellen wurden lediglich 10 Prozent realisiert.
- Ein mittelfristiger Ausstieg aus der Braunkohle steht nicht auf der Regierungsagenda. Die Energiestrategie 2030 hält an konventioneller und rückschrittlicher Politik fest. Im Gegensatz zu schwarz-gelb regierten Ländern wie Bayern, Schleswig-Holstein oder Niedersachsen kämpfte Rot-Rot - glücklicherweise erfolglos - für die Etablierung der CCS-Technologie zur unterirdischen Endlagerung von Kohlendioxid. Im Gegensatz zu Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern hat die Linke in Brandenburg jedoch kein CCS-Verbotsgesetz initiiert. Auch dies ging wieder zulasten der eigenen politischen Wahl- und Regierungsversprechen („Keine Lex Brandenburg“) und hat somit zu einem weiteren Glaubwürdigkeitsverlust der Linken in der Öffentlichkeit beigetragen. Hierzu gehört es auch, dass der Linke-Wirtschaftsminister keine Schritte unternimmt, um den von Tagebauen bedrohten Menschen in der Lausitz eine dem Wahlprogramm seiner Partei entsprechende zukunftssichere Perspektive zu geben.
- In der Hochschulpolitik scheint die Linke keinen vernünftigen Umgang mit den rücksichtslosen Reformplänen der SPD zu finden. Inzwischen hat die Fraktion mehrheitlich entschieden, den Plänen der Zerschlagung von der Brandenburgisch Technischen Universität (BTU) in Cottbus und der Hochschule Lausitz zuzustimmen. Die Landtagsfraktion stellt sich damit gegen den Rat von Experten und gegen den erklärten Willen von 42 000 Unterzeichnern der Volksinitiative zum Erhalt der Hochschulen. Flankiert wurde diese Entscheidung von einem Katalog von „Bedingungen“, den man vor einer endgültigen Zustimmung erfüllt haben wolle. Wenn die Linke ernsthaft an diesen Bedingungen festhalten will, dann müsste sie die geplante Hochschulzerschlagung im Parlament ablehnen. Denn die formulierten Bedingungen sind entweder nicht erfüllt bzw. nicht erfüllbar oder aber müssen aufgrund geltenden Rechts ohnehin erfüllt werden.
- Der Linke-Finanzminister gibt sich alle Mühe, die eingeführte - und von der Linken bislang abgelehnte - Schuldenbremse für Länder bereits fünf Jahre vor Inkrafttreten einzuhalten.
- Die Linke-Umweltministerin hat mit Fragen des Hochwasserschutzes und einer geschlossenen Kinderklinik wenig Möglichkeit zur populären Profilierung.
- Beim Stellenabbau im öffentlichen Dienst wird mit sprachlichen Wunderkerzen hantiert. Vereinbarte man im Koalitionsvertrag eine Stellenzielzahl von 40 000 Beschäftigten im Jahr 2020, versuchte man es als Erfolg darzustellen, nunmehr 42 000 Stellen bis 2019 einzuplanen. Abgesehen davon, dass damit noch immer ein Abbau von über 6 000 Stellen verbunden ist, verschweigt diese Darstellung, dass die Zielzahl 40 000 nur auf 2021 verschoben und nicht aufgehoben wurde. Auch die „Erfolgsmeldung“ von jetzt vereinbarten 43 000 Stellen verliert an Glanz, wenn man berücksichtigt, dass diese Zahl für 2018 erreicht sein soll. Es bleibt darüber hinaus offen, in welchen Bereichen bei diesem Glasperlenspiel Stellen konkret abgebaut werden sollen.
- Die Ausweitung polizeilicher Befugnisse (etwa den Einsatz sogenannter Imsi-Catcher bei der Telekommunikationsüberwachung- und Manipulation durch die Polizei) wurde nach Jahren klarer Ablehnung nunmehr mitgetragen.
- Die schockierenden Entwicklungen um den Flughafen BER werden durch zwei Linke-Aufsichtsratsmitglieder mitverantwortet. Zur Aufklärung des Skandals trägt die Fraktion ebenfalls nichts bei. Sie fordert auch kaum Konsequenzen – weder für die Geschäftsführung noch den Aufsichtsrat. Dabei muss Brandenburg Hunderte Millionen Euro an Zusatzkosten tragen - Geld, das woanders für Umsetzung sozialer linker Politik fehlt.
- Die Linke hat es nicht vermocht, eine abstrakte Normenkontrolle zu Hartz-IV beim Bundesverfassungsgericht einzuleiten und so den Betroffenen den Gang durch die Instanzen zu ersparen. Dafür brauchte es einen Berliner Sozialrichter, der dies nunmehr mit einer konkreten Normenkontrolle tut.
- Die Fraktionsvorsitzende, Kerstin Kaiser, wurde mitten in der Legislaturperiode ausgewechselt. Die bisherige Spitzenkandidatin zur Bundestagswahl und populärste Linke-Politikerin des Landes, Dagmar Enkelmann, möchte wegen der Regierungspolitik ihrer brandenburgischen Kollegen nicht mehr auf der Landesliste kandidieren.
Die Liste fragwürdiger und ggf. zu Glaubwürdigkeitsverlusten führender Entscheidungen, die unter Beteiligung der Linken zustande gekommen sind, ließe sich weiter fortsetzen. Bei alledem fällt auf, dass in der Öffentlichkeit bislang kein einziger politischer Streitpunkt erkennbar wurde, bei dem sich die Linke offen gegen die SPD gestellt hätte.
LESEN SIE HIER WEITER: Das Glasperlenspiel - Die Angst vor dem Koalitionsbruch - Teil 4
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