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Interview: „Das ist ein gefährlicher Irrweg“

Ricardo Nemitz ist Kriminaloberkommissar in Brandenburg. Er hält die Umschichtung - Kriinalbeamte sollen künftig als Streife Präsenz zeigen - für Unfug.

Stand:

Die Zahlen bei Autodiebstählen und Einbrüchen sind alarmierend. Jetzt sollen Kriminalbeamte als Streifenpolizisten Präsenz zeigen. Was bringt das?

Um es gleich auf den Punkt zu bringen: Das halten wir als Kripo-Gewerkschaft für einen gefährlichen Irrweg. Bei Wohnungseinbrüchen und Autoschieberei nach Osteuropa stecken Strukturen dahinter, das sind Banden – organisierte Kriminalität. Die kann man nur täterorientiert in den Griff bekommen. Sicherlich muss man Präsenz zeigen. Wichtiger ist es aber, dies mit Strafverfolgungs- und Fahndungsdruck zu bekämpfen, in enger Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft.

Riccardo Nemitz (40) ist beim Bund Deutscher Kriminalbeamter in Brandenburg Landesvorsitzender. Der Kriminaloberkommissar ist seit 1992 im Dienst der Polizei.

Grund für die geplante Umschichtung beim Personal sind Engpässe im Streifendienst, die Innenminister Ralf Holzschuher einräumt. Er muss doch reagieren.

Ja, aber nicht so. Nicht nur bei der Schutzpolizei, auch bei der Kriminalpolizei ist die Personaldecke generell zu eng gestrickt. Ich weiß nicht, wo die 200 angedachten Kriminalbeamten für die Schutzpolizei hergenommen werden sollen. Es gibt keine Bereiche, an denen noch etwas abgeknapst werden kann. Andernfalls kommt es zu klaren Defiziten bei der Strafverfolgung. Dies kann man nicht deutlich genug betonen.

Die Polizei patrouilliert jetzt verstärkt mit zusätzlichem Personal und sogar mit Hunden in besonders von Einbrüchen betroffenen Regionen, besonders im Speckgürtel wie in Kleinmachnow, Stahnsdorf und Teltow. Alles reine Abschreckung, was ist die Idee dahinter?

Das deutet auf eine gewisse Ratlosigkeit hin, auch wenn der Laie es auf den ersten Blick gut finden mag. Seit mehr als 15 Jahren sind Tageswohnungseinbrüche ein ernst zu nehmendes Phänomen im Berliner Speckgürtel. Das hat man bislang nur täterorientiert wirkungsvoll bekämpfen können. Streckenweise erzielt man mit verstärkten Streifen nur einen Verdrängungseffekt. Dann suchen sich die Täter eben andere Räume. In einem Flächenland wie Brandenburg würden wir als Polizei dann immer nur erfolglos hinterherrennen. So wichtig und richtig Streifentätigkeit auch ist, sie kann nur bei etwa 20 bis 25 Prozent aller Straftaten wirken – bei der Straßenkriminalität. Sie hat Grenzen. Die Täter müssen doch nur warten, bis die Streife weg ist. Wann sie wiederkommt, ist vorhersehbar. Effizienter sind Observationen und andere Fahnungsmaßnahmen. Wir fordern deshalb „Fahndung statt Streife“.

Mit der Polizeireform sollte die Zahl der Stellen ursprünglich von 8900 auf 7000 gesenkt werden. Inzwischen hat das Innenministerium die Pläne wegen der Probleme abgeschwächt auf 7400 bis 7800 Stellen. Ist das Reformvorhaben gescheitert?

Ganz klar ja. Wir fordern einen umgehenden Stopp des Personalabbaus. Dass das Innenministerium bei aktuell 8300 Stellen, egal ob bei der Bereitschafts-, der Schutz- oder der Kriminalpolizei, Defizite erkannt hat und deshalb nun solche sicherheitspolitisch wahnwitzigen Überlegungen wie den Einsatz von Kriminalbeamten im Streifendienst in Erwägung zieht, zeigt, dass die Reform ihr Ziel verfehlt hat. Sie war allein an haushaltspolitischen Erwägungen orientiert, nicht aber an den Aufgaben der Polizei. Wenn man schon Personal abbaut, muss man es intelligent einsetzen und nicht zu allem Elend auch noch zweckentfremden.

Das Gespräch führte Alexander Fröhlich

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