Von Bernd Kluge: Das Oderbruch ertrinkt
Binnenhochwasser macht Bauern und Bewohnern seit Monaten zu schaffen / Keine Besserung in Sicht
Stand:
Seelow - Bruno Neumann steht im Keller seines Einfamilienhauses in Manschnow bei Seelow und sieht verzweifelt dabei zu, wie Wasser durch die Wände sickert und sich auf dem Kellerboden verteilt. „Wenn ich hier nicht rund um die Uhr pumpe, läuft der Keller voll“, sagt der Hausherr. Die Dämmung an den Wänden hat er herausgerissen, metallene Trockenbauprofile sind verrostet, auch der Heizungsboiler ist hin. So wie Neumann geht es vielen Bewohnern der Auenlandschaft nördlich von Frankfurt (Oder), von denen einige nicht mehr heizen können, wo ganze Gehöfte seit Monaten von der Außenwelt abgeschnitten sind. Auch die Landwirte der Region sind durch vernässte Felder von Existenznöten geplagt. Seit Monaten kommen sie nicht mehr auf die Äcker, um zu ernten oder sie neu mit Wintergetreide zu bestellen.
Das Oderbruch ertrinkt. Ursache ist das sogenannte Binnenhochwasser, hervorgerufen durch extreme Niederschläge in diesem Jahr und durch einen steigenden Grundwasserspiegel, über den die Oder in den größten eingedeichten Flusspolder Deutschlands drückt. Entwässerungsgräben laufen über. „Wir haben hier die tiefstgelegene Region Brandenburgs, liegen unterhalb des Flussbettes der Oder“, erklärt Martin Porath, Geschäftsführer des Gewässer- und Deichverbandes Oderbruch (GEDO). Seine Erläuterungen machen klar: Nur durch eine stetige, systematische Entwässerung kann die vor mehr als 250 Jahren trocken gelegte Kulturlandschaft erhalten werden.
Das ausgeklügelte Grabensystem im Oderbruch ist laut Porath seit Wochen so voll, dass es kein Wasser mehr aufnehmen oder zurück in den Grenzfluss leiten kann. Ergo breitet es sich auf den Äckern und in den Kellern aus. Schuld ist seiner Ansicht nach die in den vergangenen Jahren aus Spargründen vom Land Brandenburg und auch vom GEDO reduzierte Unterhaltung dieser Gewässer. Die durch das Bruch fließende Alte Oder beispielsweise ist durch Schilfwachstum und Verschlammung von einer ursprünglichen Breite von durchschnittlich 30 Metern in vielen Abschnitten auf 7 Meter geschrumpft. Rund 1,3 Millionen Euro stellte das Landesumweltamt dem GEDO in diesem Jahr für die Pflege und Unterhaltung der Oderbruch-Entwässerung bereit. Für 2011 ist laut Porath bisher nur die Hälfte dieser Summe zugesichert.
„Wir haben mit den Schöpfwerken gepumpt, was das Zeug hält, aber wir werden das Wasser einfach nicht los“, resümiert er und wird noch drastischer: „Der Krieg ist verloren. Was wir jetzt machen, sind Abwehrschlachten.“ Kurzfristige Abhilfe ist seiner Ansicht nach nicht machbar. Denn nach den Erfahrungen der Landwirte und Ergebnissen wissenschaftlicher Studien sind einmal verschlammte Felder für die nächsten zwei Jahre nicht oder nur eingeschränkt nutzbar, weil das an sich fruchtbare Ton-Lehm-Gemisch nicht so schnell abtrocknet. Ein Vorwurf, der dem Land überall im Oderbruch gemacht wird, ist die angebliche systematische Anhebung des Grundwasserspiegels in der Region. Ein vom Kreisbauernverband Märkisch-Oderland in Auftrag gegebenes Gutachten soll darüber Klarheit bringen. Um zeitnah auf extreme Wasserstände reagieren zu können, ist laut Porath ein Wassermanagement mit Pegeln und Niederschlagsmessern im Grabensystem notwendig. „Das wären Investitionskosten von etwa 2,2 Millionen Euro sowie rund 50 000 Euro jährliche Unterhaltungskosten“, sagt der GEDO-Geschäftsführer, der gleichzeitig fordert, die 1,3 Millionen Euro für Gewässerpflege und -unterhaltung nicht weiter zu kürzen.
Die Brandenburger CDU-Fraktionsvorsitzende Saskia Ludwig will sich darum jetzt auf Landesebene kümmern. „Das sind schließlich keine Wahnsinnssummen. Was im Oderbruch passiert, ist schlichtweg eine Katastrophe“, sagt sie am Montag bei einem Besuch der Region.
Bernd Kluge
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: