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Von Alexander Fröhlich: Das Oderbruch macht Jagd auf den Biber

Eine Initiative gibt Nagern Schuld am Hochwasser, Landrat Gernot Schmidt (SPD) genehmigt den Abschuss – nicht alle verstehen das

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Seelow - Für die vom Binnenhochwasser geplagten Bewohner des Oderbruchs ist er das Feindbild Nummer eins – der Biber, der eigentlich Elbebieber heißt. Nun soll auf ihn Jagd gemacht werden. Der Landrat von Märkisch-Oderland, Gernot Schmidt (SPD), erteilte nun die Genehmigung für die Tötung von fünf Bibern. Beantragt hatte das ein Öko-Landwirt aus der Nähe von Bad Freienwalde. Und in den kommenden Wochen will das Landratsamt den Abschuss weiterer Tiere genehmigen.

In den vergangenen Monaten waren wiederholt Klagen über Schäden laut geworden, die Biber auf Agrarflächen und an Deichen anrichteten. Im gesamten Kreis Märkisch-Oderland wird die Zahl der Biber auf 230 geschätzt, nun machen die Bürger gegen das 60 bis 80 Zentimeter lange Tier mobil. Sie machen den Biber verantwortlich für die angespannte Situation im Oderbruch, dass wegen enormer Regenmengen und mehrerer Oder-Hochwasser im vergangenen Jahr unter Wasser steht.

Der Biber als Hassobjekt: Plakate in der Großgemeinde Letschin mahnen bereits, Hochwasserschutz gehe vor Artenschutz. Auf den Plakaten ist der possierliche Nager rot durchkreuzt. Für den Verein „Wir im Oderbruch“ ist klar: Biber zerstören die Deiche und sollten deshalb gejagt werden.   „Wir fordern eine artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung für geschützte Tiere“, sagte Vereinsvorsitzender Mario Forner. Das sensible Be- und Entwässerungssystem im Oderbruch sei durch den Biber gefährdet. „Der Bestand im Oderbruch ist zu hoch“, erklärte Forner. „Der Biber hat keine natürlichen Feinde. Die Bestände regeln sich nicht von selbst.“ Ächzt das Oderbruch gewissermaßen unter einer Plage von Problem-Bibern ?

Tatsächlich fällen die unter Schutz stehenden Tiere Bäume, stauen Gewässer an und graben Röhren in die Deiche, mehr als 70 Mal war das im vergangenen Jahr der Fall. Das aber ist eine Folge des Hochwassers, wenn die Tiere für ihren Nachwuchs Schutz suchten und Löcher in die Deiche buddelten. Von verzweigten Biberbauten in den Deichen könne keine Rede sein, hieß es aus dem Umweltministerium in Potsdam. Die Schäden würden beseitigt. Und wenn gar nichts mehr hilft, werden die Tiere eingefangen, sieben Stück im vergangenen Jahr, drei sind an eine Biberstation übergeben und vier andernorts ausgesetzt worden.

Der Abschuss von Bibern aber ist streng geregelt und nur in Ausnahmefällen möglich. Erst im November 2010 hatte das Umweltministerium seine Vorgaben präzisiert und den Erlass „Vollzugshinweise Biber“ herausgegeben. An diese Vorgaben müssen sich die Landratsämter als untere Naturschutzbehörden halten. Sie entscheiden auch über Anträge zum Töten der Tiere.

Mit der Abschuss-Genehmigung trifft das Landratsamt den Nerv der Bürger im Oderbruch – und will offenbar auch testen, wie weit es gehen kann. Ausdrücklich nehme die Kreisverwaltung Klagen von Naturschutzverbänden in Kauf, hieß es. Und damit wird selbst im Ministerium gerechnet. „Die Genehmigung zum Abschuss kommentiert das Ministerium nicht“, sagte Ministeriumssprecherin Alrun Kaune-Nüsslein.

Doch die Fachleute im Ministerium sind verwundert. Landrat Schmidt hätte schon viel früher Abschüsse genehmigen können, hieß es. „Da wollte sich wohl einer hinter dem Land verstecken“, sagte ein Mitarbeiter den PNN. Gegen den Biber werde Stimmung gemacht, um einen Schuldigen für die verzwickte Hochwasserlage zu finden.

Tatsächlich hatten bei der Hochwasser-Konferenz vergangene Woche Vertreter der Kreise Elbe-Elster und Prignitz erklärt, keine Probleme mit dem Biber zu haben. Zudem dürfte die Jagd recht schwierig werden. „Es ist völlig unklar, wie das gehen soll“, hieß es aus dem Ministerium. „Biber sind dämmerungs- und nachtaktiv. Da kann man nicht viele schießen.“ Und außerdem lasse sich der Biber nicht vertreiben, man müsse mit dem Tier leben. 

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