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Brandenburg: Dauerbrenner Härtefall

Parteienstreit um Plätze in Flüchtlings-Kommission / Schönbohm zu mächtig?

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Parteienstreit um Plätze in Flüchtlings-Kommission / Schönbohm zu mächtig? Potsdam – Es gilt als ein Dauerbrenner in Brandenburg: Es geht um die Abschiebepraxis von Brandenburger Ausländerbehörden, um tragische Einzelschicksale von Flüchtlingen, um den konservativen Innenminister Jörg Schönbohm, der etwa die Polizei gegen „Kirchenasyl“ vorgehen ließ. Künftig soll es solche Schlagzeilen nicht mehr oder zumindest seltener geben: In Brandenburg wird zu Beginn des neuen Jahres eine Härtefall-Kommission für von Abschiebung bedrohte Flüchtlinge gebildet, die in schwierigen Asyl-Fällen helfen soll. So setzte es die SPD im Koalitionsvertrag durch. Er war Gegner eines solchen Gremiums: Jetzt hat Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) als zuständiger Ressortchef die mit Spannung erwartete entsprechende Verordnung vorgelegt, die die Zusammensetzung und die Kompetenzen der Härtefall-Kommission regelt. Zwar ist der Entwurf von der SPD prompt misstrauisch aufgenommen und in den letzten Tagen als „nicht liberal genug“ kritisiert worden. Doch gehen beide Koalitionäre davon aus, dass die „überbrückbaren“ Differenzen „in einigen Details“ in den nächsten Wochen ausgeräumt werden können. „Es bleibt beim bisherigen Fahrplan“, sagte Ende der Vorwoche auch Dorothee Stacke, Sprecherin des Innenministeriums. Anders als die bisher schon in einigen Ländern – so in Berlin – bereits existierenden Härtefall-Kommissionen, die Asylfälle „begutachteten“, soll das neue Gremium juristisch klar geregelte Kompetenzen bekommen: Grundlage ist das zum 1. Januar 2005 in Kraft tretende neue Zuwanderungsgesetz des Bundes, an dem wegen Brandenburgs Zustimmung im Bundesrat fast die vorige Große Koalition zerbrochen wäre. So soll die Kommission nach dem Schönbohm-Entwurf entscheiden können, „ob dringende humanitäre oder persönliche Gründe die weitere Anwesenheit eines Ausländers im Bundesgebiet rechtfertigen und deshalb ein Ersuchen an das Ministerium des Innern gestellt wird oder nicht“. Das letzte Wort läge beim Innenministerium, das jedoch die Ausländerbehörden direkt anweisen könnte, in dringenden humanitären Fällen Aufenthaltserlaubnisse zu erteilen – auch das ist neu und durch das Zuwanderungsgesetz möglich. Dennoch wird das Innenministerium das Votum der neuen Kommission in der Praxis kaum ignorieren können. Das ist auch der Hintergrund, vor dem derzeit in der Koalition um die Zusammensetzung der Kommission gestritten wird. Unstrittig ist, dass sie acht Mitglieder haben soll, dass die evangelische und die katholische Kirche, die Flüchtlingsorganisationen des Landes, der Städte- und Gemeindebund sowie der Landkreistag je einen Vertreter entsenden. Geplant ist bislang, dass das Arbeits- und Sozialministerium mit der Ausländerbeauftragten vertreten ist und das Innenministerium ein weiteres Mitglied vorschlägt. Was der SPD bislang ein Dorn im Auge ist: Der Leiter der im Innenministerium angesiedelten Geschäftsstelle soll zugleich den Vorsitz der Härtefall-Kommission innehaben und ebenfalls reguläres Mitglied sein. Die innenpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion Britta Stark kritisiert, dass das Innenministerium dann mit zwei von acht Mitgliedern zu stark vertreten wäre, was bei der geplanten nötigen Zwei-Drittel-Mehrheit für Bleiberecht-Empfehlungen ein Problem sein könnte. Außerdem sind der SPD jene „Ausschlussgründe“ für Fälle zu eng gefasst, um die sich die Kommission nicht kümmern soll. So legt die Union etwa Wert darauf, dass die Kommission „nicht von straffällig gewordenen oder zur Fahndung ausgeschriebenen Ausländern ausgenutzt werden kann“,, betont der CDU-Innenpolitiker Sven Petke. Auch hier wird um Formulierungen gefeilscht. Prompt warnen die Grünen vor einer „Härtefall-Verhinderungskommission“ und die PDS-Opposition vor einem „verlängerten Arm“ des Innenministers und fordert Einfluss des Landesparlamentes. Fest steht, dass die neue Kommission den von der Ausländerbeauftragten Almuth Berger im Frühjahr 2004 als Übergangslösung initiierten Härtefallbeirat ablösen wird. Der hat sich in den letzten Monaten – ohne große Befugnisse und Kompetenzen – im Hintergrund für rund 15 betroffene Flüchtlinge eingesetzt. Ein Mitglied war die SPD-Landtagsabgeordnete Susanne Melior, die folgende Erfahrung machte: „Man hilft solchen Menschen am meisten, wenn die Fälle nicht an die große Glocke gehängt werden“. Aus dieser Praxis hat Melior jenseits des politischen Tauziehens einen ganz konkreten Vorschlag für die neue Brandenburger Härtefall-Kommission: „Es wäre sinnvoll, wenn dort ein Amtsarzt vertreten wäre“, sagt sie. „Uns ist aufgefallen, dass unter den Betroffenen viele traumatisierte Menschen sind.“

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