Brandenburg: Debatte um Polizeireform neu entfacht
Gewerkschaften kritisieren Personalmangel und fordern einen Stopp des Stellenabbaus
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Potsdam - Die jüngsten Kriminalitätszahlen, die insbesondere bei Einbrüchen, beim Diebstahl von Autos und Fahrrädern nach oben gingen, entfachen die Debatte um die Polizeireform neu. Zwar soll es 2019 von den derzeit 8200 noch 7800 Beamte geben, damit ist die frühere Zielzahl von 7000 Stellen Makulatur. Doch für die Gewerkschaft der Polizei (GdP) sind die geringen Aufklärungsquoten in den für die Bevölkerung neuralgischen Delikten auch eine Folge von Personalmangel, da seit Beginn der Polizeireform bereits 700 Stellen wegfielen.
„Die Polizei ist an der Grenze des Machbaren“, sagte GdP-Landesbezirkschef Andreas Schuster. Es störe die Bürger extrem, „wenn ihr Auto gestohlen wurde, wenn sie ihr wohlverdientes Wochenende im Garten genießen wollen und ihre Laube aufgebrochen wurde und wenn das Fahrrad, das sie am Morgen noch benutzt haben, am Abend nicht mehr da ist“, sagte Schuster. „Am schlimmsten ist es, wenn man nach Hause kommt und die eigene Wohnung durchwühlt und ausgeraubt ist.“ Dass mehr als zwei Drittel dieser Straftaten nicht aufgeklärt und die Ermittlungsverfahren eingestellt werden, stoße im Lande auf Unzufriedenheit. Ursachen seien Stellenabbau, in deren Folge enorme Arbeitsverdichtung, Stress, ein enorm hoher Krankenstand, ständige strukturelle Veränderungen, fehlende Kräfte gerade im operativen Bereich und starke Überlastung der Kriminalpolizei.
Schuster wies auch auf die wachsende Rauschgiftkriminalität hin, bei der es 2013 eine Steigerung von 10,5 Prozent auf 5 173 Straftaten gab. Es sind sogenannte Kontrolldelikte. „Es kommt kein Konsument und schon gar kein Dealer zur Polizei, um sich selbst anzuzeigen“, so Schuster. Auch hier seien mehr Kontrollen nötig, „aber mit welchem Personal?“
Für Brandenburgs Bund der Kriminalbeamten (BDK) ist nun erst recht klar, dass der Personalabbau komplett gestoppt werden muss. BDK- Landeschef Riccardo Nemitz sieht aber auch im Krisenmanagement von Holzschuher Unwuchten – zu Ungunsten der Kriminalpolizei. Nach wie vor werde zu einseitig auf Senkung von Interventionszeiten und Stärkung der uniformierten Polizei gesetzt, sagte Nemitz. Unterm Strich führe aber die Kriminalpolizei die Ermittlungen. Genau an diese Stelle müsse man ansetzen und deren Ermittlungskompetenzen stärken.
Innenminister Ralf Holzschuher (SPD) hatte Anfang des Jahres angekündigt, bis Oktober 150 Beamte zusätzlich in den Wach- und Wechseldienst zu schicken, damit wieder so viele Streifenwagen wie nötig patrouillieren können und die Interventionszeiten sinken. Wie viele Versetzungen es bisher gab, wurde nicht gesagt, offenbar fast keine. Holzschuher verwies auf den April, wo 250 Absolventen der Fachhochschule der Polizei fertig werden. Zugleich kündigte er an, dass durch das auf 7800 Stellen abgebremste Personal auch weniger Stellen bei der Kriminalpolizei wegfallen. Es werde gerade in den Problembereichen nachjustiert, auch soll es mehr Zivilfahnder geben.
Für die Politik aber bleibt ein paar Monate vor der Landtagswahl die Innere Sicherheit akut. Holzschuher müsse sich in den nächsten Monaten daran messen lassen, ob bei Wohnungseinbrüchen, Fahrrad- und Autodiebstählen Erfolge gelingen, sagte Grünen-Innenexpertin Ursula Nonnemacher. Sie warnte jedoch auch vor einem „Klima der Hysterie“. Der FDP-Abgeordnete Hans-Peter Goetz prophezeite hingegen, dass es keine Trendwende geben wird, weil in den vergangenen Jahren zu wenig Polizisten ausgebildet wurden. „Das Tal ist noch nicht erreicht“, sagte Goetz. CDU-Fraktionschef Michael Schierack forderte Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) auf, die Polizeireform nun unverzüglich zu stoppen. Rot-Rot hofft auf eine Trendwende. Linke-Innenexperte Hans-Jürgen Scharfenberg sprach von „Licht und Schatten“. Die Linke „erwartet vom Innenminister, dass die vor einigen Wochen angekündigten Maßnahmen zur Verbesserung der Streifenaktivität der Polizei umgesetzt und die Anstrengungen im Bereich der Prävention ausgebaut werden“. Und der SPD-Abgeordnete Werner Siegwart Schippel sieht im Anstieg der Aufklärungsquote „erste positive Ergebnisse“ der Polizeireform, sage aber auch: „Die Kriminalitätsbelastung stellt uns nicht zufrieden.“
Kriminalisten selbst sehen den leichten Anstieg der Gesamtaufklärungsquote auf 54 Prozent aber skeptisch und wenig aussagekräftig. Die angespannte Lage bei der Polizei hat auch Auswirkungen auf die Ermittlungsarbeit, die Staatsanwaltschaften bemängelten bereits mehrfach die sinkende Qualität der Ermittlungsakten. BDK-Landeschef Nemitz erklärte, die Aufklärungsquote der Polizei sage nichts über das Schicksal der Akten: „Also darüber, in wie vielen Fällen die Staatsanwaltschaft die Verfahren eingestellt hat und in wie vielen oder besser wie wenigen Fällen es tatsächlich zu Sanktionen kommt.“
Thorsten Metzner (mit axf)
Thorsten Metzner (mit axf)
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