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POSITIONEN: Den Teufel nicht mit dem Belzebub austreiben

Bioenergieboom auf dem Acker – für Artenvielfalt ist jedoch Nachhaltigkeit unabdingbar Von Katrin Vohland

Der Winter ist zu warm. Auch wenn sich die Klimaforscher scheuen, ein einzelnes Wetterereignis auf den Klimawandel zurückzuführen, zweifelt mittlerweile kaum noch einer daran, dass die Häufung von Extremereignissen eine Konsequenz der globalen Erwärmung ist. Diese ist eindeutig eine Folge der Emissionen von Kohlendioxid (CO2) durch industrielle Produktion, Verkehr und Heizen. Brandenburg hat – bedingt vor allem durch die Braunkohleverstromung – ein gravierendes Problem mit dem CO2-Ausstoß. Unser Emissionsniveau von 24 Tonnen pro Kopf und Jahr übersteigt sogar das der US-Amerikaner und liegt bei weitem über dem Bundesdurchschnitt.

Ein Ausweg liegt in der Steigerung der Energieeffizienz und im Ausbau regenerativer Energien, zu denen neben Windkraft, Erdwärme und Solarenergie auch Bioenergie aus Energiepflanzen zählt. Darunter versteht man den Anbau von Pflanzen, die zur Erzeugung von Energie in der Form von Wärme, Treibstoff oder Strom genutzt werden. Die Pflanzen geben bei der Energiegewinnung nur die Menge an Kohlendioxid an die Atmosphäre ab, die sie vorher über die Photosynthese assimiliert haben. So weit, so gut.

Für immer mehr Brandenburger Landwirte wird der Anbau von Energiepflanzen zum zweiten wirtschaftliches Standbein. Auf mittlerweile 60 000 Hektar bauen sie überwiegend Raps und Roggen an. Energiepflanzen, die vorwiegend in der Raffinerie Schwedt zu Ethanol verarbeitet werden. Darüber hinaus produzieren sie in zahlreichen Biogasanlagen mit aus Mais gewonnener Biomasse Energie. Von 900 000 Tonnen Roggen wird mittlerweile über die Hälfte zu Treibstoff. Diese Flächenkonkurrenz zum Anbau von Lebensmitteln bzw. Tierfutter, aber auch mit ökologisch wertvollen Flächen, wird steigen. Durch die zunehmende Trockenheit in Brandenburg ist zudem fraglich, ob eine nachhaltige Steigerung der Erträge aus Energiepflanzen überhaupt möglich ist.

Die Flächenkonkurrenz hat sich längst zu einem globalen Problem entwickelt. Für Länder wie z.B. Brasilien oder Indonesien wird es zunehmend lukrativ, über den Export von Soja, Palmöl oder Zuckerrohr-Alkohol Devisen zu erwirtschaften. Das geht zu Lasten des Lebensmittelanbaus für die heimische Bevölkerung und zu Lasten der Natur: Durch den massiven Anbau von Energiepflanzen in diesen Ländern werden Regenwald und wertvolle Moore zerstört. Hierbei wird nicht nur der Lebensraum vieler Tier- und Pflanzenarten vernichtet, sondern auch die Kohlendioxidbilanz verschlechtert. So setzt die Rodung von Wäldern und die Trockenlegung von Mooren mehr CO2 frei als die Menge, über die im Rahmen der Kyoto-Vereinbarungen verhandelt wird. In der Folge wird das ursprüngliche Anliegen, mit dem Umsteuern auf Bioenergie die CO2-Emission zu senken, auf den Kopf gestellt. Ungeregelt bringt der Boom der Bioenergie so zwar etlichen Unternehmen fette Gewinnmargen und den Bioethanol tankenden Autofahrern ein gutes Gewissen. Dem Klimaschutz nutzt er jedoch nicht in jedem Fall.

Für den Anbau und den Import von Energiepflanzen müssen deshalb Nachhaltigkeitskriterien festgelegt werden. Hierzu zählt der konsequente Schutz natürlicher Ökosysteme ebenso wie der Vorrang für die Versorgung der lokalen Bevölkerung mit Nahrungsmitteln. Auch darf die Bioenergie nicht zum Einfallstor gentechnisch veränderter Pflanzen werden, weil diese die biologische Vielfalt gefährden. Monokulturen müssen durch Mehrfruchtsysteme ersetzt und der klimaschädigende Einsatz von Düngern reduziert werden. Dezentralen Anlagen, die beispielsweise Ernteabfälle verwerten, sind solchen vorzuziehen, bei denen Energiepflanzen erst über lange Strecken transportiert werden müssen. Bei der Bewertung des klimapolitischen Nutzens der Bioenergie ist letztlich eine Gesamtbilanz zu ziehen, bei der alle Phasen vom Anbau bis zum Verbrauch berücksichtigt werden.

Brandenburgs Landwirtschaftsminister Dietmar Woidke (SPD) beschreitet mit dem in seiner Biomassestrategie propagierten massiven Ausbau der Anbauflächen für Energiepflanzen den falschen Weg. Innovative Techniken wie die Erzeugung von Bioenergie durch Mikroalgen bieten weitaus größere Chancen zur Verminderung der Treibhausgasemissionen. Die Einführung von Nachhaltigkeitskriterien kann verhindern, dass man mit der Nutzung der Bioenergie klimapolitisch „den Teufel mit dem Belzebub“ austreibt.

Schon jetzt zeichnet sich allerdings ab, dass Energiepflanzen nur ein Teil der Lösung sein können. In der Diskussion sollten die riesigen unausgeschöpften Potenziale anderer Erneuerbaren Energien wie der Solarenergie oder der Geothermie nicht aus dem Blick geraten. Und nicht zuletzt liegt es in der Verantwortung der Industrie, des Gesetzgebers und von uns Konsumenten, unseren Gesamtenergieverbrauch durch Effizienzsteigerungen und einen veränderten Lebensstil zu senken.

Die Autorin ist Landesvorsitzende Bündnis 90/Die Grünen in Brandenburg und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung (PIK)

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