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Insolvent, aber ungebrochen. Autohausinhaber Michael Weilbacher beschäftigt in Brandenburg 130 Mitarbeiter. Weil die Daimler AG ihm keine Ersatzteile mehr liefert, fehlt seinem Geschäft die Grundlage – und seinen Mitarbeitern die Arbeit.

© Matthias Matern

Brandenburger Wirtschaftskrimi: Der David aus Eberswalde

Seit drei Jahren streitet sich der Autohändler Michael Weilbacher mit der Daimler AG. Die jüngste Runde ging an den Automobilriesen - Weilbacher musste Insolvenz anmelden - aufgeben will er deshalb noch lange nicht.

Von Matthias Matern

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Eberswalde - Michael Weilbacher hat sich mit dem Daimler-Konzern angelegt. Jetzt musste er Insolvenz anmelden. Doch aufgeben will er deshalb noch lange nicht. „Meine großen Prozesse habe ich bislang immer gewonnen. Notfalls gehe ich bis vor den Europäischen Gerichtshof“, sagte der Mercedes-Autohändler aus Eberswalde. Der Konflikt zwischen dem brandenburgischen David und dem schwäbischen Goliath hat viele Zutaten, die man auch von einem guten Wirtschaftskrimi erwarten darf: Es geht um angeblich falsch berechnete Zinsen in beträchtlicher Höhe, um möglicherweise heimlich beschaffte Kundenlisten und vermeintlich illegale Geschäfte in Osteuropa. Inzwischen streiten Weilbacher und Daimler bereits seit drei Jahren. Während der Eberswalder noch im Dezember einen zwischenzeitlichen Triumph feiern durfte, hat er nun vor wenigen Wochen selbst eine empfindliche Schlappe erlitten: Das Landgericht Stuttgart hob Mitte Februar eine von Weilbacher erwirkte Einstweilige Verfügung gegen Daimler auf. Seitdem erhält der Autohändler keine Originalersatzteile mehr. Seine geschäftliche Grundlage ist weggebrochen.

Entsprechend verwaist wirken die langen Flure und Büros in Weilbachers Schaltzentrale an der Neuen Straße in Eberswalde (Barnim). Er sitzt an der Stirnseite eines riesigen Konferenztisches. „Ja, es ist ruhig geworden. Wir haben zwar noch keinem gekündigt, aber es ist schon auffällig, wie die Leute jetzt plötzlich krank werden“, sagt Weilbacher und zieht an seiner Zigarette. Eberswalde ist nur einer von vier Standorten des Mercedes-Händlers. Auch in Strausberg (Märkisch-Oderland), Prenzlau und Schwedt (beides Uckermark) hat der 58-Jährige Filialen. Eberswalde allerdings ist der Hauptsitz. Dort befindet sich die Buchhaltung und Verwaltung und der Gebrauchtwagenverkauf. Insgesamt beschäftigt das Unternehmen 130 Mitarbeiter, davon allein in Eberswalde 59. An diesem Tag aber sind gerade einmal 30 erschienen. Zu tun gibt es derzeit ohnehin nicht viel. „Wir verbauen noch ein paar Teile aus dem Lager, arbeiten Restaufträge ab. Die anderen drehen Däumchen“, berichtet der Chef.

Nach Weilbachers Informationen ist das Hauptverfahren zu den von Daimler gekündigten Service-Verträgen, die auch die Teilelieferung regeln, für den Juni angesetzt. Dennoch: Die Insolvenz war aus Weilbachers Sicht unvermeidbar. „Wir haben zwar eigentlich genug Geld. Doch wie lange reicht das?“ Trotz des langjährigen Teilkriegs wäre Weilbacher an einer Neuauflage der Serviceveträge interessiert. Obwohl das Verhältnis zum Daimler-Konzern mittlerweile so zerrüttet ist? „Das spielt dabei keine Rolle. Vertrauen habe ich zu denen schon lange nicht mehr. Das war auch schon vor dem Streit weg“, erzählt der Autoverkäufer und zieht eine neue Zigarette aus seiner Schachtel.

Angefangen hat der Konflikt im Frühjahr 2010. Damals ließ Weilbacher von einem Gutachter die Zinsen überprüfen, die die Mercedes-Benz-Bank ihm für die Finanzierung seiner Fahrzeuge berechnet hatte. Weil die Bank ihm angeblich 650 000 Euro zu viel berechnet hat, bittet Weilbacher eigenen Angaben zufolge die Bank um Berichtigung. Daraufhin schreibt die Bank dem Autohausinhaber, sie sehe nach der unbegründeten Beschwerde keine Basis mehr für eine weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit. Außerdem wird Weilbacher dem Schreiben zufolge die Kreditlinie gekündigt. Nachdem angeblich alle Einigungsversuche mit dem Konzern gescheitert sind, kündigt Weilbacher außerordentlich den Vertrag für den Neuwagenverkauf – ohne Kredit lässt sich der Fahrzeugverkauf nicht finanzieren. Weilbacher zufolge kündigte daraufhin Daimler wiederum die Serviceverträge – ein Schlagabtausch, der Ende vergangenen Jahres mit der Einstweiligen Verfügung zugunsten Weilbachers sein vorläufiges Ende fand.

Dass die Einstweilige Verfügung nun wieder aufgehoben wurde, begründete das Landgericht Stuttgart laut Weilbacher mit dem Vorwurf, er habe davon gewusst, dass einer seiner Geschäftspartner von ihm gelieferte Mercedes-Originalteile wiederrechtlich nach Russland weiterverkauft habe. Der Verkauf in Staaten, die nicht zur EU gehören, ist den Handelsvertretern nicht gestattet. Weilbacher selbst bestreitet den Vorwurf nicht nur vehement, sondern wirft Daimler im Gegenzug vor, sich vom Finanzamt II in Stuttgart, das auch für die Daimler AG zuständig ist, durch eine anonyme Anschuldigung eine Liste seiner Kunden beschafft zu haben. „Wir haben mittlerweile wegen Bruch des Steuergeheimnisses Strafanzeige gegen einen Mitarbeiter der Finanzbehörde und gegen Unbekannt gestellt“, berichtet der unbeugsame Autohändler aus Eberswalde.

Die Daimler AG bestätigt auf Anfrage lediglich, dass Weilbacher seit Mitte Februar keine Teile mehr erhält. Die Insolvenz will der Konzern mit Verweis auf die rechtliche Eigenständigkeit des Geschäftspartners nicht kommentieren. Die Mercedes-Benz-Bank dagegen hält den Vorwurf falsch berechneter Zinsen durch fragwürdigen Berechnungen für konstruiert und für ungerechtfertigt.

Weilbacher allerdings ist sich sicher, dass seine angeblich falsche Zinsabrechenung kein Einzelfall ist. Gleich nach seiner ersten Beschwerde wegen des aus seiner Sicht zu hohen Betrags habe die Mercedes-Bank an alle anderen Vertragshändler ein Jubiläumszinsangebot – angeblich anlässlich des 125-jährigen Bestehens der Bank – gemacht, berichtet der Autohauschef. Bedingung für den Bonus sei gewesen, dass man sich damit einverstanden erklärt, dass mit dem Bonus „alle etwaigen Ansprüche gegen die Bank wegen etwaiger in der Vergangenheit zu viel gezahlter Zinsen abgegolten sind“, heißt es in dem Brief, der der Redaktion in Kopie vorliegt.

Soweit er weiß, haben etliche Händler zähneknirschend unterschrieben, sagt Michael Weilbacher. „Auf der letzten Jahrestagung haben mich einige Kollegen angesprochen und mich für meinen Kurs bewundert, aber auch gesagt, wie kann man nur so verrückt sein“, erzählt er, während er eine weitere Zigarette ausdrückt. Übermäßig emotional belastet fühle er sich wegen des Konflikts eigentlich nicht, behauptet Weilbacher. Und das, obwohl angeblich seine komplette bürgerliche Existenz an dem Geschäft hängt. „Viel geraucht habe ich schon vorher“, versichert er mit leicht schiefem Lächeln.

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