Brandenburg: Der erste Fehler
Thorsten Metzner
Stand:
Konsequenz und Konfusion - die Grenzen können fließend sein. Das hat soeben Ulrich Junghanns demonstriert, Wirtschaftsminister und gerade mal hundert Tage CDU-Vorsitzender. Klimadebatte hin, europäische Treibhausgas-Negativrekorde heimischer Kohlekraftwerke her: Der oft als profillos beschriebene Schönbohm-Nachfolger hat die Lausitz, die Regierung und die eigene Partei mit seinem klaren Plädoyer für neue Kohletagebaue aufgeschreckt. Höchstpersönlich hat er eine Auftragsstudie präsentiert, die in preußisch-deutscher Gründlichkeit sieben mögliche Standorte auflistet - und die 33 Dörfer gleich mit, deren 11500 Einwohner jetzt vor den Kohlebaggern zittern. Baggern, die irgendwann in dreißig, vierzig Jahren einmal kommen sollen, vielleicht. Oder auch nicht. Ehrliche Politik, die dem Wahlvolk frühzeitig reinen Wein einschenkt?
Dem Anti-Populisten Junghanns darf man zugute halten, dass er seine innere Überzeugung und die Brandenburger Regierungslinie nicht verrät, allen Kritikern zum Trotz den Braunkohle-Abbau nicht aufzugeben - und auf klimafreundliche Kraftwerke zu hoffen. Das ist keine märkische Inselpolitik, sondern auch Kurs der Bundesregierung. In Wirklichkeit geht es ja auch gar nicht so sehr um Brandenburg, das den meisten Braunkohlestrom „exportiert“, sondern um die Energieabhängigkeit Deutschlands. Aber selbst wenn man auf „saubere“ Kohle setzt, mutet es abenteuerlich an, in dieser unsicheren Übergangsphase konkrete neue Tagebau-Standorte ins Spiel zu bringen. Schließlich hat Vattenfall bis 2040 Produktions- und Planungssicherheit für seine Lausitzer Kraftwerke und Tagebaue. Niemand weiß, ob es bis dahin gelingt, klimaverträgliche Technologien zu entwickeln, die Braunkohle wettbewerbsfähig zu halten.
Was der Vorgang für das Potsdamer Machtgefüge bedeutet? Dass ein Wirtschaftsminister eine langfristige Tagebau-Studie erstellen lässt, ist das eine. Aber Ulrich Junghanns ist eben nicht mehr Fachminister allein. Er ist auch Kabinetts-Vize und Vorsitzender einer Regierungspartei, er hat als Generalist abzuwägen. Und in diesem diffusen Vor-Vor-Stadium neuer Tagebaue darf man die Menschen in einer der ärmsten, an Abwanderung leidenden Regionen nicht in solche Ängste stürzen. Ganz abgesehen davon, dass auch die CDU - 2008 ist Kommunalwahl - damit weder in der Lausitz, noch im Land punkten kann. Wie man es auch dreht: Ulrich Junghanns hat seine neue Rolle als Parteichef noch nicht verinnerlicht - es war der erste Fehler des Schönbohm-Erben.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: