Brandenburg: Der Glaube und die Neutralität Warum ein jüdischer Polizist Kippa trägt
Berlin - Sollte man als Jude in Berlin Kippa tragen? Für Tuvia Schlesinger ist diese Frage klar mit Ja zu beantworten.
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Berlin - Sollte man als Jude in Berlin Kippa tragen? Für Tuvia Schlesinger ist diese Frage klar mit Ja zu beantworten. Bei einer Demonstration für die Straffreiheit der Beschneidung von Kindern trug der Polizist einen Button: „Haut ab! Kippa auf!“ Schlesinger will sich antisemitischen Drohungen nicht beugen und fordert Juden auf, es ihm nachzutun. Aber Schlesinger war im Dienst, als er sich auf Wunsch von Fotografen mit Kippa ablichten ließ. Ein durchaus bewusster Verstoß gegen das Berliner Neutralitätsgesetz von 2005. Danach sind sichtbare religiöse Symbole, aber auch Deutschlandfahnen für Richter, Polizisten und Lehrer verboten. Das Gesetz war das Ergebnis einer heftigen Debatte um das Kopftuchverbot für muslimische Lehrerinnen im Unterricht.
Schlesinger, 59 Jahre alt, seit mehr als 30 Jahren im Polizeidienst, ist sich bewusst, dass seine Aktion „nicht ganz korrekt war“. Das Neutralitätsgebot als Beamter findet er im Allgemeinen auch wichtig, in diesem Fall aber „albern“. „Ich will mir nicht verbieten lassen, die Kippa zu tragen, auch nicht von meinen Vorgesetzten. Ich steh dazu, dass ich Jude bin, fertig.“ In der Debatte um die Beschneidung von jüdischen und muslimischen Kindern sei ein „Punkt erreicht: Bis hierhin und nicht weiter“. Das Tragen von Kippa und Uniform habe er nicht als politische Aktion geplant, so Schlesinger. Bei der Demonstration auf dem Bebelplatz sei er als Verbindungsmann zwischen dem Veranstalter und der Polizei eingesetzt gewesen. Im Alltag trage er als liberaler Jude keine Kippa, „nur zu Feiertagen in der Synagoge“.
Schlesinger ist nicht irgendwer. Er sitzt in der Repräsentantenversammlung der Jüdischen Gemeinde und im RBB-Rundfunkrat. Lange war er Vorsitzender des Sportvereins TuS Makkabi. Schlesinger wurde 1952 in Haifa geboren, als Sohn deutscher Emigranten. Die Familie des Vaters war im Holocaust umgekommen, die Mutter hatte in Berlin überlebt. Die Familie zog später zurück nach Deutschland.
Die Kippa-Aktion ist auch eine Reaktion auf die Empfehlung des Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde, Gideon Joffe, nach dem Anschlag auf einen Rabbiner in Friedenau in bestimmten Berliner Gegenden besser auf die Kippa zu verzichten. Im Polizeipräsidium ist man nicht glücklich über Schlesinger. Das Tragen der Kippa im Dienst sei schlicht verboten. Auch Äußerungen in Uniform, dass die Situation für Juden in Berlin immer schlimmer werde, stießen auf Empörung. Solche politischen Wertungen und Einschätzungen seien für Polizisten in der Öffentlichkeit tabu. Dennoch wird Schlesinger nicht belangt – um nicht eine Diskussion anzufachen „Polizeiführung maßregelt jüdischen Beamten“. ha/loy
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