Brandenburg: Der lange Schatten des 11. September
Die Reste der Feuersozietät sollen verkauft werden / Sie hatte das World Trade Center mit versichert
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Potsdam/Berlin - Brandenburg und Berlin wollen einen neuen Anlauf starten, um die Versicherung „Feuersozietät Berlin Brandenburg“ endgültig los zu werden, die den Steuerzahler bereits Millionen gekostet hat. Das Finanzministerium in Potsdam bestätigte gestern auf PNN-Anfrage diese Pläne. „Die Anstalt des öffentlichen Rechts soll in eine Aktiengesellschaft umgewandelt werden, um sie verkaufen zu können“, sagte Sprecher Ingo Decker. „Wenn ein Verkauf nicht gelingen sollte, wird die Anstalt abgewickelt, natürlich nach Erfüllung ihrer Verpflichtungen.“ Eine entsprechende Kabinettsvorlage und ein Staatsvertrag seien in Vorbereitung.
Hinter der technischen klingenden Erklärung verbirgt sich eine brisante Operation – und ein neues Kapitel in der unendlichen Geschichte vom Niedergang der traditionsreichen Feuersozietät, die 1718 von Preußen-König Friedrich Wilhelm I. gegründet worden war, deren markante Schilder mit dem Wappen des Bären oder des Adlers an vielen Häusern in beiden Ländern prangen. Doch die im Eigentum beider Länder befindliche Versicherungsgruppe war nach der Jahrtausendwende an den Rand der Pleite geraten, weil sie sich unter anderem massiv am so genannten „Rückversicherungsgeschäft“ beteiligt hatte. Das heißt, sie hatte sich an riskanten Policen beteiligt, die andere Gesellschaften nicht allein übernehmen wollten und sich daher bei anderen Versicherungen rückversicherte.
Die berlin-brandenburgische Feuersozietät hatte sich als internationaler Player versucht, Ölraffinerien, Bohrinseln, Flugzeuge und Gebäude mitversichert – zum Beispiel das World Trade Center in New York. So geriet die Firma, als nach dem Terror-Anschlag am 11.September 2001 Millionen fällig wurden, an den Rand der Zahlungsfähigkeit. Im Jahr 2002, als das Geld gezahlt wurde, mussten Brandenburg und Berlin rund 40 Millionen Euro in die Firma stecken, um eine Pleite abzuwenden.
Wie dramatisch die Schieflage war, illustriert folgende Zahl: Für 40 Millionen Euro, so viel, wie man zuvor hineingebuttert hatte, konnten im Januar 2004 noch die einigermaßen lukrativen Teile des Unternehmens als „Öffentliche Lebensversicherung Berlin Brandenburg“ privatisiert werden. Es handelte sich um das für Investoren interessante Erstversicherungsgeschäft (z.B. Unfall- und KfZ-Versicherungen). Trotzdem galt selbst die Summe als Spottpreis gemessen an früheren Erwartungen beider Finanzverwaltungen: Sie hatten ursprünglich bei 500 Millionen Euro gelegen, später immer noch bei 110 Millionen Euro. Stattdessen wurde die Privatisierung der Feuersozietät, die eigentlich die klammen Länderhaushalte entlasten sollte, ein Nullsummen-Geschäft.
Aber: Das Rückversicherungsgeschäft blieb bei der öffentlich-rechtlichen Feuersozietät, die beiden Ländern zur Hälfte gehört. Der Käufer war zur Übernahme der riskanten Altverträge der Rückversicherungen nicht bereit. Auch der Verkaufspreis von 40 Millionen Euro blieb zum Großteil vorsorglich gleich in der Firmenkasse als Rücklage. „Es hilft nur noch hoffen und beten“, sagte Berlins Finanzsenator Thilo Sarrazin damals. Seine Sorge: „Es können weitere 100 bis 150 Millionen Euro fällig werden.“
Die Rückversicherungsverträge werden seitdem von der Feuersozietät verwaltet, die sich aus dem Neugeschäft zurückgezogen hat. Das heißt, wenn etwa ein Großfeuer in den USA ausbricht können weiterhin Zahlungen fällig werden. Trotzdem war es um die Anstalt in den letzten Jahren still geworden. Zwar wollen die beiden Länder jetzt erneut versuchen, auch für das „Rückversicherungsgeschäft“ noch einen Käufer zu finden. Man geht davon aus, dass die Gesellschaft für künftige Schadenseintritte in Höhe von rund 110 Millionen Euro durchaus gewappnet ist und rund 16 Millionen Euro Eigenkapital verfügt. Gelingt der von Experten als „schwieriges Unterfangen“ bezeichnete Verkauf des Sozietätsrestes nicht, bleibt den beiden Ländern nur die Abwicklung der Anstalt. Da Branchenexperten angesichts der Laufzeit vieler Verträge für eine Abwicklung der Versicherung 30 Jahre veranschlagt haben, könnte die Feuersozietät auch noch einigen künftigen Landesregierungen Berlins und Brandenburgs Kopfzerbrechen bereiten.
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