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Weniger statt mehr? Eigentlich will die neue schwarz-rote Bundesregierung den Wohnungsneubau ankurbeln. Maren Kern, Vorstand des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen, hält die Pläne von Union und SPD aber für kontraproduktiv. Steuerliche Anreize, etwa beim Bau von Solaranlagen, wären hilfreicher gewesen, sagt sie.

© A. Klaer

Brandenburg: „Der Leerstand wird weiter zunehmen“

BBU-Vorstand Maren Kern über die Bedeutung des Koalitionsvertrags zwischen Union und SPD für den Wohnungsmarkt in Brandenburg und erfüllte Forderungen der Unternehmen

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Frau Kern, der Koalitionsvertrag ist unterzeichnet, alle Posten sind vergeben. Endlich kann die Große Koalition im Bund loslegen. Unter anderem wollen Union und SPD die Städtebauförderung aufstocken und den Wohnungsneubau ankurbeln – zwei für Brandenburg wesentliche Punkte. Warum sind Sie trotzdem nicht zufrieden?

Also zunächst muss man erst mal feststellen, dass es durchaus einige positive Punkte gibt. Etwa die Stadtbauförderung, die auf insgesamt 700 Millionen aufgestockt werden soll, und dass das Thema Soziale Stadt stärker in den Fokus gerückt wurde. Das war unter dem früheren Bundesbauminister ganz anders, da lag der Fokus bedauerlicherweise vor allem auf dem Bereich Verkehr. Dadurch haben die Themen Mieten, Wohnen und Stadtentwicklung nur nachrangig stattgefunden. Das große Aber im aktuellen Koalitionsvertrag sind jedoch vor allem die Wiedervermietungsbremse und die Eingriffe bei der Modernisierungsumlage, insbesondere die Absenkung der Umlagefähigkeit von elf auf zehn Prozent und die Begrenzung dieser Umlage auf den Amortisierungszeitraum der Investitionen. Hier wird eine ganz neue Mietenbürokratie eingeführt, die letztlich zu großer Verwirrung führen wird. Dies alles wird sich als eine Modernisierungs- und Neubaubremse herausstellen, weil sich die Investitionsbedingungen verschlechtern werden. Die Folgen tragen dann letztlich die Mieterinnen und Mieter.

Die Mietbremse als Instrument gegen Auswüchse am Mietwohnungsmarkt sei überzogen und ungeeignet, haben Sie bereits während der Koalitionsverhandlungen gesagt. Was wäre der bessere Weg?

Um Märkte zu entspannen, brauchen wir vor allem in Berlin und Potsdam Wohnungsneubau. Dafür sind sowohl kommunale Wohnungsunternehmen und Wohnungsgenossenschaften als auch private Investoren wichtig. Letztere gehen aber mit anderen Renditeerwartungen ran als unsere BBU-Unternehmen. Unter den gegebenen Bedingungen werden es sich private Bauherren jedoch künftig noch einmal mehr überlegen, ob sie noch bauen wollen. In Potsdam dagegen gibt es eine Initiative auf freiwilliger Basis unserer Mitglieder. Dabei haben sich die Beteiligten bereit erklärt, dass sie nicht sämtliche Möglichkeiten einer Mietpreiserhöhung ausschöpfen. Das wird mit dem nötigen Augenmaß gemacht, aber gewährt gleichzeitig eine viel größere Freiheit, Investitionen zu planen. Ein besserer Weg als diese Überregulierung wären auch zum Beispiel steuerliche Anreize. Wenn etwa Wohnungsunternehmen Anlagen zur Stromgewinnung, wie zum Beispiel Solaranlagen, betreiben, fallen mit einem Mal die gesamten Mieteinkünfte unter die Gewerbesteuerpflicht. Dabei machen sie das ja im Grunde nur, um ihren Mietern günstigeren Strom liefern zu können. Die Unternehmen sollten ihren Anspruch auf die erweiterte Kürzung bei der Gewerbesteuer nicht verlieren dürfen. Ein weiterer Anreiz wären praktikable und flexible Förderprogramme für Neubau und Modernisierung.

Um die steigenden Energiekosten in den Griff zu bekommen, haben Sie eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Energie von 19 auf sieben Prozent gefordert. Dazu ist im Koalitionsvertrag nichts zu finden. Was bedeutet das für die Mieter?

Die Nebenkosten und die Steuerbelastung auf die Nebenkosten werden sich sicher weiter nach oben bewegen. Wer es warm haben will, muss künftig immer mehr zahlen. In diesem Punkt sind wir vom Ergebnis der Koalitionsgespräche enttäuscht. Hier muss dann die geplante Wohngelderhöhung Entlastung bringen. Außerdem unterstützen wir die Forderung des GdW nach einer Wiedereinführung des Heizkostenzuschusses beim Wohngeld.

Potsdam hält bis 2025 den Bau von 17 500 neuen Wohnungen für notwendig. Um den sozialen Wohnungsbau anzukurbeln, wollen Union und SPD die Länder künftig mit 518 Millionen Euro unterstützen. Reicht das?

Das wird nicht reichen. Man müsste den Wohnungsneubau in einzelnen Teilbereichen noch weit mehr unterstützen. Brandenburg zum Beispiel ist ja nicht nur Potsdam oder der Speckgürtel, sondern auch der äußere Entwicklungsraum. Auch da sind trotz schrumpfender Bevölkerung in absehbarer Zeit an der einen oder anderen Stelle Ersatzneubauten erforderlich. Im Moment wären diese ohne Weiteres, damit nicht förderbar.

Für mehr Wohnraum sollen auch die Genossenschaften sorgen. Die Rahmenbedingungen sollen verbessert werden, zum Beispiel durch eine verbesserte Förderung beim Erwerb von Genossenschaftsanteilen. Im Gegenzug sollen sich die Genossenschaften zum Neubau verpflichten.

Ich würde mir wünschen, dass die Leistungen der Genossenschaften für das Soziale und für das günstige Wohnen endlich mehr anerkannt werden. Es wird immer gesagt, wir brauchen die Genossenschaften, aber es wird nichts Konkretes getan. Hilfreich wäre es zum Beispiel, wenn künftig Bauflächen nicht immer nur an den Meistbietenden vergeben würden, sondern auch an Genossenschaften, die ein Vorhaben mit einem entsprechenden Konzept untersetzen.

Um mehr potenziellen Wohnraum zu erschließen, soll auf „nicht mehr benötigte Konversionsliegenschaften im öffentlichen Eigentum“ zurückgegriffen werden. Sind das nicht meist mit Altlasten verbundene unattraktive Flächen fernab von jeder Infrastruktur oder sehen auch Sie in diesem Bereich noch Potenzial?

Über den Satz habe ich mich auch gewundert. Oder besser: Ich habe mich vor allem gefragt, was ist damit gemeint.

Während in Potsdam Wohnungen fehlen, sind sie in Berlin fernen Orten Brandenburgs überzählig. Wie erleichtert sind Sie, dass die Große Koalition die Städtebauförderung aufstocken will? Wird sich der zuletzt wieder zunehmende Leerstand bremsen lassen?

Nein, im äußeren Entwicklungsraum nicht. Der Leerstand wird sogar noch weiter zunehmen. Union und SPD wollen ja eine Vereinheitlichung von Stadtumbau Ost und Stadtumbau West. Im Grundsatz kann man das ja verstehen, aber es gibt nach wie vor einen signifikanten Unterschied: Der Wohnungsbestand ist in Ostdeutschland viel stärker in der Hand von Wohnungsunternehmen, teilweise bis zu 70 Prozent. Leerstand bedeutet für diese Unternehmen eine viel größere Belastung. Wir stehen in den berlinfernen Regionen kurz vor einer zweiten Leerstandswelle. Der BBU rechnet mit einer weiteren Schrumpfung von 25 bis 30 Prozent bis 2030, da muss ich in diesem Umfang auch irgendwann mal abreißen. Damit vernichte ich jeden Tag Unmengen von Eigenkapital. Deswegen ist es notwendig, dass es endlich eine vernünftige Regelung zu den Altschulden gibt. In diesem Zusammenhang begrüße ich es sehr, dass es jetzt eine Ostbeauftragte gibt, die im Wirtschaftsministerium angedockt ist.

Mit dem Förderprogramm „Altersgerecht Umbauen“ wollen Union und SPD auch der demografischen Entwicklung Rechnung tragen. Ein richtiger Schritt oder wird damit in den besonders betroffenen Kommunen die Hoffnung auf den Zuzug junger Familien und damit auch Bevölkerungswachstum nicht aufgegeben?

Man könnte sich jetzt an diesem Begriff etwas stören, aber wir haben die Notwendigkeit, solche Maßnahmen umzusetzen. Der Altersdurchschnitt in Deutschland steigt nun einmal deutlich. Die Wohnungswirtschaft spricht allerdings schon lange nicht mehr vom altersgerechten Bauen, sondern vom generationsübergreifenden Bauen oder dem Wohnen für ein langes Leben. Das heißt, wenn ich eine besonders barrierearme Wohnung habe, ist das nicht nur für ältere Menschen, sondern auch für junge Familien gut.

Das Interview führte Matthias Matern

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