Brandenburg: „Der Mann hatte keine Chance“
1,3 Kilogramm Sprengstoff zerfetzen Blechcontainer / Unfallursache weiter unklar
Stand:
1,3 Kilogramm Sprengstoff zerfetzen Blechcontainer / Unfallursache weiter unklar Von Juliane Sommer Pinnow. Die Detonation bei der Pinnower Munitionsentsorgungsfirma Nammo hat eine Spur der Verwüstung hinterlassen. Von dem Container, in dem das Unglück am Donnerstagabend geschah, ist nicht mehr viel übrig. Dort explodierten Zünder von Artilleriegrananten mit einer Sprengkraft von 1,3 Kilogramm TNT und rissen einen 51-jähriger Mitarbeiter in den Tod. Wie riesige Splitter ragen ausgefaserte Metallteile aus dem Boden. Blechstücke der Baracke wurden bei der Explosion bis zu 40 Meter weit geschleudert und liegen nun überall auf dem abgesperrten Gelände im Hochsicherheitstrakt des Unternehmens. Auch leere Munitionskisten wurden durch die Luft gewirbelt. „Was immer auch die Explosion auslöste, der Mann in dem Container hatte keine Chance“, sagt am Freitag ein Firmensprecher. Vermutlich habe der 51-Jährige sich im Moment der Detonation über die Kiste mit den Munitionsteilen gebeugt, die üblicherweise in dem Container auf einem Tisch steht, um sie für die Sprengung in der benachbarten Vakuumkammer vorzubereiten. Der 51-Jährige hinterlässt eine Frau und zwei Kinder, die gegenwärtig von der Firma Nammo betreut werden. „Das ist für uns eine Pflicht“, sagt Nammo-Geschäftsführer Rudolf Herbst, der Stunden nach dem Unglück noch sichtlich betroffen ist. Was sich in dem Container unmittelbar vor der Explosion genau ereignete, weiß momentan noch niemand. Klar ist, dass an diesem Tag 16 Sprengladungen vorbereitet und gesprengt werden mussten. Acht Ladungen hatten der 51-Jährige und ein Mitarbeiter bereits abgearbeitet, bei der Vorbereitung der neunten Ladung geschah das Unglück - eine Explosion, die kilometerweit zu hören war, wie Anwohner berichten. Die Technologie, derer sich die Nammo-Mitarbeiter bei Sprengungen in der Vakuum-Kammer bedienen, ist genormt. In Handbüchern ist nachzulesen, was zu tun ist. „Die Technologie wird hier zehn Jahre lang praktiziert. Und dabei ist es bislang noch nie zu einem Unfall gekommen“, sagt der Firmensprecher. Die Einwohner von Pinnow sind betroffen über das tragische Unglück. „Wenn man in einer Munitionsentsorgungsfabrik täglich arbeitet, denkt man oftmals nicht mehr daran, wie gefährlich das Zeug ist, mit dem man umgeht“, sagt einer der Bewohner, der früher dort gearbeitet hat. Angst vor der Fabrik hat in Pinnow jedoch niemand. „Nammo ist sicher. Unfälle passieren überall, so tragisch wie das ist“, sagt eine Frau. In dem ehemaligen Raketen-Instandsetzungswerk der NVA, das nach der Wende vom schwäbischen Rüstungs-Mittelständler Buck erworben wurde, waren in den 90er Jahren zunächst Raketen der NVA entsorgt worden. Nach der Buck-Pleite übernahm der skandinavische Nammo-Konzern, einer der weltgrößten Munitionshersteller, den Standort, um dort nicht mehr benötigte Munition der Nato und der schwedischen Streitkräfte zu entsorgen. In dieser Zeit kam es zu drei schweren Unfällen. 1993 entzündete sich beim Auseinanderbauen einer Luft-Boden-Rakete der Treibstoff. Acht Mitarbeiter wurden schwer verletzt. Einer von ihnen starb wenige Wochen später im Krankenhaus. 1996 ereignete sich ein weiterer tödlicher Unfall – wiederum bei der Entsorgung einer Luft-Bodenrakete. An der Vakuum-Sprengkammer kam es nie zu Störfällen – bis zum 1. April 2004, 17.40 Uhr.
Juliane Sommer
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: