Brandenburg: Der Mensch im Bärenfell
Der kleine Eisbär in Berlin: Zoo-Experten sorgen sich um Knuts Psyche
Stand:
Berlin - So ein kleiner Eisbär, so ein großer Wirbel. Alle warten gespannt darauf, wann Zoobesucher das weiße Knäuel nun endlich leibhaftig zu Gesicht bekommen können. „Der Tag steht immer noch nicht fest, es wird aber innerhalb der nächsten zehn Tage sein“, sagt Zoochef Heiner Klös. Das Eisbärjunge entwickele sich weiter positiv, sei quicklebendig – und doch gibt es jetzt erneut Diskussionen darüber, ob man das Tier nach seiner Geburt nicht lieber hätte einschläfern lassen sollen. Tierschützer hatten das bereits vergangenes Jahr nach der Geburt am 5. Dezember gefordert, weil die Handaufzucht nicht artgerecht sei und ein grober Verstoß gegen das Tierschutzgesetz. Sie kritisieren auch die „Vermenschlichung“ eines der gefährlichsten Raubtiere der Welt.
„Wenn ein Tier von der Mutter nicht angenommen wird, ist das grundsätzlich immer eine Einzelfallentscheidung“, sagte Zoo-Fachmann Ragnar Kühne. Eine Tötung sei aber nicht in Frage gekommen, sagt auch Zoochef Heiner Klös. Der Nürtinger Tierschützer Frank Albrecht hat Klös zufolge mehrfach angekündigt, den Zoo zu verklagen, „bisher hat sich aber noch kein Staatsanwalt bei mir gemeldet“. Anders als in Berlin hatte sich der Zoo in Leipzig kürzlich dazu entschlossen, ein Lippenbär-Junges einzuschläfern, das von seiner Mutter verstoßen worden war. Bei dem Braunbären sei eine „psychisch gesunde Aufzucht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen gewesen“, teilte der Zoo mit.
So knuddelig-fröhlich der kleine weiße Berliner Bär derzeit in seiner Zoo-Kinderstube herumtollt, so groß sei jetzt die Herausforderung bei der weiteren Aufzucht, sagt Wolfram Graf-Rudolf. Der Leiter des Aachener Zoos war früher selbst Eisbärpfleger und bei der Aufzucht mehrerer Jungtiere durch die Mütter, aber auch als Pfleger dabei. „Ich würde mich heute eher gegen die Aufzucht durch den Menschen entscheiden“, sagt der Zoo-Chef. Nicht, weil die drei Tierpfleger auch bei Knut nicht sicherlich alles menschenmögliche täten. Problematisch werde es aber, wenn die Raubtiere so groß sind, dass sie ihren Pflegern im Spiel nicht nur blaue Flecke durch Bisse zufügen und von ihnen getrennt werden müssen. Das sei für Eisbären, die von Natur aus im unwirtlichen ewigen Eis „eine Riesenbindung zum Muttertier“ haben, ein dramatischer Verlust. Er kenne fünf Jahre alte Tiere, die immer noch „an der Tatze nuckeln, wenn der Pfleger in Sicht kommt. Das muss jeder mit seinem Gewissen klar kriegen.“
Jetzt den kleinen Knut womöglich töten zu lassen, wie es Tierschützer Frank Albrecht laut einer Boulevardzeitung fordert, lehnen Deutscher Tierschutzbund und Tierheim Berlin ab. Vielmehr müssten Eisbären-Gehege großzügiger werden. Die Zoohaltung sei gerade in Zeiten der Klimaschutzdiskussion wichtig, sagt Zoochef Graf-Rudolf. Gerade hat die amerikanische Star-Fotografin Annie Leibovitz Knut und Pfleger fotografiert – für eine Kampagne gegen die Erderwärmung. Denn der Lebensraum der Tiere wird kleiner, weil Polkappen und Eisschollen schmelzen. Dokumentar-Teams der ARD dürfen Knut schon vor den Zoobesuchern filmen. Ab 24. März läuft immer samstags um 9.50 Uhr in der ARD die neue Serie „Knut, das Eisbärbaby“.
Das Tier wird längstens zwei Jahre eine Berliner Attraktion sein. Dann wird Knut wohl an einen anderen Zoo abgegeben. Aus Selbstschutz. Damit ihn nicht Angehörige der eigenen Gattung bei Revierstreitigkeiten töten. Annette Kögel
Annette Kögel
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: