Brandenburg: Der reine Bahnsinn
Brandenburg und Berlin bewegen sich trotz Streik doch – nur langsamer
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Berlin - Der Streik der Lokführer sorgt in Berlin und Brandenburg für Stress bei den Fahrgästen und Pendler. Protokoll eines „bahnsinnigen“ Tages:
Die Pendler. Nach Berlin rein ist’s für Pendler schon kniffelig. Aber raus nach Brandenburg? Normalerweise braucht der Zug zwischen Hennigsdorf und Neuruppin nur 33 Minuten. Durch den Lokführerstreik sind die Fahrgäste auf dieser Strecke im nördlichen Berliner Umland aber fast vier Stunden unterwegs. Von Hennigsdorf geht es zunächst nach Spandau (dort versperrt Flatterband den Weg zum S-Bahnsteig nebenan), von dort mit der nicht vom Ausstand betroffenen Ostdeutschen Eisenbahn ODEG nach Neustadt (Dosse). Dort müssen die Fahrgäste in die Potsdamer Eisenbahngesellschaft nach Kyritz umsteigen, wo dann hoffentlich ein Bus nach Neuruppin bereitsteht. Viele Fahrgäste sparen sich den Aufwand und fahren mit dem Auto, wenn auch hier die Fahrt wegen der vollen Straßen zumindest in Richtung Hennigsdorf etwa 30 Minuten länger dauert. Und nicht nur dort. Morgens und abends kriecht der erweiterte Berufsverkehr über Ausfallstraßen und Autobahn.
In der BVG. U-Bahnhof Nollendorfplatz, Schöneberg, einer der meistfrequentierten Bahnhöfe der Stadt, 7.30 Uhr. In den Wagen der Linie U2 stehen die Leute unglaublich dicht gedrängt. Draußen auf dem Bahnsteig: traurige Gesichter. Drei Väter stehen hier mit Kinderwagen, sie telefonieren hektisch. Ein Vater sagt ins Telefon: „Es ist die dritte U-Bahn, alle voll mit Menschen, die quetschen sich eh schon. Da passt kein Kinderwagen rein – was, bitte, soll ich tun?“ In U-Bahnen, Straßenbahnen und Bussen sitzen laut BVG 60 bis 70 Prozent mehr Fahrgäste als an normalen Werktagen. Weil viele aufs Auto umgestiegen sind, steckten Busse im Stau und hätten bis zu 30 Minuten Verspätung. Die BVG rechnet durch erhöhten Personal- und Fahrzeugeinsatz pro Streiktag mit Mehrkosten von etwa 200 000 Euro.
Der Fernreisende. Straßen voll, Mietwagen ausgebucht – bleibt nur der olle Zentrale Omnibusbahnhof in Westend, der eh schon vor sich hin ächzt. Und ab Freitag, wenn der Wochenendverkehr anrollt, soll’s erst richtig voll werden hier an den Busstops neben dem leeren S-Bahnhof Messe Nord/ICC. Udo und Anneliese Schalk, 80 und 84, aus Bonn, warten auf ihren Bus nach Dresden. Sie machen eine Kulturreise und waren in Berlin in der Philharmonie. Weil sie ihr Zugticket nicht nutzen können, haben sie schnell den Bus gebucht. Im ZOB-Bistro sitzt auch Jörg Moser, 71, aus Salzburg. Er ist um halb acht Uhr mit dem Flugzeug aus Salzburg gekommen und mit dem Bus direkt zum ZOB gefahren – er muss zur Messe nach Leipzig. „Ich bin froh, dass ich überhaupt fahren kann. Ich habe mit Ach und Krach noch ein Ticket bekommen.“ Am Freitag möchte er zurück nach Berlin. Da waren die Tickets noch knapper.
Geschichtsbewusste Bahner. Im Internet wirbt die Berliner S-Bahn als „offizieller Mobilitätspartner“ für das Mauerfall-Jubiläumswochenende. Auch unter dem Motto „Wir verbinden. Seit 90 Jahren“. Das hat geschichtsbewusste Lokführer nicht völlig kalt gelassen. Mehr als erwartet erschienen zum Dienst. Auch weil die S-Bahn vor 25 Jahren das Verkehrsmittel zur Verbindung zwischen Ost und West gewesen sei, sagte ein Bahnsprecher. So konnte der Ersatzfahrplan noch ein wenig aufgepäppelt werden – auf rund ein Drittel des üblichen Angebots. Und das S-Bahn-Sonderticket für „grenzenlose Bewegungsfreiheit“ für 15 Euro? Gilt immerhin noch bei der BVG. PNN, dpa
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