Brandenburg: „Der Satz hat mir gereicht, dann bin ich gegangen“ Eine Lehrerin über einen Verschiebebahnhof
Lehrerorganisationen wie der Philologenverband werfen den Schulämtern in Brandenburg vor, Beamte massiv unter Druck zu setzen, damit sie auf eine Vollzeitstelle verzichten. Entgegen den Angaben des Landes gebe es gar keinen Überhang, sondern zu wenige Lehrer für qualitativen Unterricht.
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Lehrerorganisationen wie der Philologenverband werfen den Schulämtern in Brandenburg vor, Beamte massiv unter Druck zu setzen, damit sie auf eine Vollzeitstelle verzichten. Entgegen den Angaben des Landes gebe es gar keinen Überhang, sondern zu wenige Lehrer für qualitativen Unterricht. Die Beamtin Hannelore Schmidt (Name geändert, d. Red.), Gymnasiallehrerin im Schulamtsbezirk Frankfurt/Oder, kritisiert im Interview mit den PNN die Methoden der Behörden.
Frau Schmidt, wo sollen sie künftig eingesetzt werden.
Ich weiß vom Schulamt Brandenburg/Havel, dass ich nach Potsdam-Mittelmark fahren soll. Einen Bescheid habe ich noch nicht. Für mich ist das nicht machbar. Mit den öffentlichen Verkehrsmitteln geht das gar nicht, und mit dem Auto bin mindestens zwei Stunden zu besten Verkehrszeit unterwegs. Die Schule hat gefragt, ob ich denn überhaupt komme, oder ob ich mich wie andere versetzte Kollegen aus Cottbus in früheren Jahren einfach krankschreiben lassen. Das mache ich natürlich nicht. Eigentlich brauchen die mich gar nicht dort, das ist ein einziger Verschiebebahnhof.
Warum sollen sie versetzt werden?
Ich habe zu Jahresbeginn drei Briefe erhalten, ich solle doch auf eine Vollzeitstelle als Beamtin verzichten und eine entsprechende Dienstvereinbarung unterzeichnen. Darauf habe ich nicht reagiert. Im Frühjahr bin ich vom Personalrat vorgeladen worden. Ein Lehrer sitzt da 21 Leuten gegenüber. Das ist Psychologie pur. Mir wurde gesagt, wenn ich nicht auf eine Vollzeitstelle verzichte, werde ich an die Grenze zu Sachsen-Anhalt versetzt. Lehrer aus den Schulamtsbezirken Cottbus und Frankfurt/Oder sollen auf eine Vollzeitstelle verzichten. Im Gegenzug wird ihnen zugesichert, dass sie nicht versetzt werden. Trotzdem werden sie innerhalb der Bezirke umgesetzt. Selbst Lehrern aus Förderschulen wird gedroht, wenn sie in Vollzeit gehen werden sie umgesetzt und durch billige Kräfte vom Arbeitsmarkt ersetzt.
Sie könnten doch aber auch in Teilzeit arbeiten, schließlich soll die Einigung zwischen Land und GEW Entlassungen ausschließen...
... ja, aber die Stunden auf die ich da verzichte, sind die Stunden die meinen Schülern in Teilungs- und Förderunterricht oder Arbeitsgemeinschaften zugute kommen sollten. Die haben mich gefragt, warum ich mich so unsolidarisch verhalte. Nach zehn Jahren Zwangsteilszeit möchte ich endlich mal wieder Vollzeit arbeiten – und zwar für meine Schüler. Die GEW hilft den Lehrern nicht und tut auch nichts für eine vernünftige Bildung. Dann hätten sie nicht unterschrieben, sondern dafür gesorgt, dass die Vollzeitstellen voll ins System kommen.
Was werfen sie der Landesregierung vor?
Ich werfe den Bildungspolitikern einerseits vor, Sonntagsreden zu halten, und andererseits, auf Kosten der Schüler zu sparen. Eine Kollegin, die ich als Zeugin zu dem Gespräch mit dem Personalrat mitgenommen habe, hat gefragt, ob es denn so ist, dass nun ein Russisch-Lehrer aus Frankfurt für Mathe im Brandenburg eingesetzt wird. Da sagten die ganz klar ja. Das sei eine reine finanzpolitische Entscheidung. Der Satz hat mir gereicht, dann bin ich gegangen.
Alexander Fröhlich
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