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Brandenburg: Der schüchterne Rabbi

Shaul Nekrich betreut sechs jüdische Gemeinden als erster Landesrabbiner Brandenburgs

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Potsdam - Shaul Nekrich schaut zu Boden, er lächelt, wirkt aber viel zu schüchtern, um seine Freude auch offen zu zeigen. Dabei ging es am Mittwoch im Büro der Kulturministerin Martina Münch (SPD) um seine Zukunft. Der Landesverband der jüdischen Gemeinden in Brandenburg unterzeichnete gewissermaßen seinen Arbeitsvertrag als Landesrabbiner: Die sieben jüdischen Gemeinden im Land kooperieren mit dem Berliner Rabbinerseminar, der nun Shaul Nekrich und mehrere Studenten in die Gemeinden entsendet.

Damit haben die rund 1300 Gemeindemitglieder erstmals einen Landesrabbiner, der auf Wunsch in die Gemeinden kommt und mit den Gläubigen vor Ort Gottesdienste feiert oder sie berät. Einen eigenen Rabbiner hat mit Shlomo Afanasev nur die Jüdische Gemeinde Potsdam. Nekrichs Arbeitsorte werden Bernau, Brandenburg/Havel, Cottbus, Frankfurt (Oder), Königs Wusterhausen und Oranienburg sein. Der zurückhaltend lächelnde Rabbi wirkt bei dem Termin im Ministerium ein einziges Mal sehr ernst: Auf seinen Reisen durch die Mark werde er sich aus Angst vor antisemitischen Übergriffen nicht als Jude zu erkennen geben, sagt er mit Nachdruck. „Ich werde etwa meinen Hut nicht tragen, es gibt zu viele Skinheads draußen im Land.“

In Berlin, wo Nekrich seit etwa drei Jahren wohnt, sei das rund 65 Jahre nach dem Holocaust anders. Dort gewöhnten sich die Menschen langsam wieder daran, einen Juden auf der Straße auch als Juden zu erkennen.

Die Einsetzung des neuen Landesrabbiners bezeichnet Moritz Glöckner vom Potsdamer Moses Mendelssohn Zentrum für europäisch-jüdische Studien als „sehr wichtigen Schritt für den weiteren Aufbau der jüdischen Gemeinschaft in Brandenburg“. In ganz Deutschland herrsche ein Mangel an Rabbinern – das gelte besonders für die ostdeutschen Bundesländer, weil die jüdischen Gemeinden hier besonders klein seien, sagt Glöckner. Neben dem Potsdamer Rabbiner gibt es mit Nachum Presman nur einen weiteren. Presman ist heute Rabbiner der neuen Synagogengemeinde Potsdam.

Rabbiner Nekrich entschloss sich vor elf Jahren, Rabbiner zu werden. Doch zunächst studierte der gebürtige Russe in Israel Informatik und schloss dann ein weitere Ausbildung in „rabbinischen Studien“ an. Im Jahr 2007 kam er dann nach Deutschland und half unter anderem mit, Einwandererkinder aus der früheren Sowjetunion in jüdische Gemeinden in Deutschland zu integrieren.

Nekrich selbst bezeichnet sich als „orthodox“. Dies bedeute für ihn, sich treuer an religiöse Gesetze zu halten, als es liberale Juden tun, sagt er. Als größte Herausforderung bezeichnete es der neue Landesrabbiner, bei den in der Regel zugewanderten Juden in Brandenburg wieder den Stolz zu wecken, Jude zu sein.

Seine Frau Debora ergänzt: „Wenn man uns Juden den Stolz nicht vermittelt, dann gibt es in einer Generation schon wieder kein jüdisches Leben mehr in Deutschland“. Mit ihren drei Töchtern lebten sie selbst vor, wie selbstverständlich die jüdische Kultur auch nach Deutschland gehöre, sagt Debora Nekrich. Sie will die Arbeit ihres Mannes unterstützen und den nichtjüdischen Bürgern Kultur und Tradition des Judentums näher bringen.

Verheiratet zu sein sei Voraussetzung dafür, Rabbiner werden zu können, erläutert Shaul Nekrich. Wer Menschen in Sachen Ehe und Familie berate, müsse wissen, wovon er spreche. (mit gb)

Jens Twiehaus

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