Brandenburg: Der Sieg des Schwarzen Abtes
Ende des Brandenburger Streits: Der umtriebige Chef der Klosterbrauerei Neuzelle hat für den kleinen Betrieb einen großen Erfolg errungen: Nach jahrelangem Hickhack darf sein Bier Bier heißen – trotz des Deutschen Reinheitsgebotes
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Ende des Brandenburger Streits: Der umtriebige Chef der Klosterbrauerei Neuzelle hat für den kleinen Betrieb einen großen Erfolg errungen: Nach jahrelangem Hickhack darf sein Bier Bier heißen – trotz des Deutschen Reinheitsgebotes Neuzelle/Leipzig - Nach zähem Kampf ein klarer Sieg für den Schwarzen Abt aus Neuzelle: Auf Betreiben der dortigen Klosterbrauerei hat das Bundesverwaltungsgericht gestern das deutsche Reinheitsgebot für Bier aufgeweicht. Künftig dürfen deutsche Brauer auch Bier mit Zucker herstellen, obwohl sie damit gegen die stolzen Regeln verstoßen, die schon seit 1516 gelten. Die Leipziger Richter gaben einer Klage der Klosterbrauerei Neuzelle in Brandenburg statt, die ihr Schwarzbier mit Zucker versetzt und es deswegen bislang nicht „Bier“ nennen durfte. Darüber lag die Brauerei seit Jahren mit der Landesregierung über Kreuz. Ist das also nun der Anfang vom Ende des Reinheitsgebots? Bedeutet das gar eine Trendwende im deutschen Biergeschäft, weil die Brauer nun Bier mit Zuckerzusatz, vielleicht sogar mit Erdbeer- oder Kirschsirup auf den Markt bringen, sozusagen Alcopops für Biertrinker? „Wir werden einen Teufel tun“, sagte Stefan Leppin, Sprecher der Radeberger-Gruppe. Das Reinheitsgebot als ältestes Lebensmittelgesetz der Welt sei ein Garant für Qualität, und das wisse der Verbraucher zu schätzen. „Was Bierbrauen angeht, so sind wir absolut wertkonservativ“, betont Leppin. Bei Becks, das zum belgischen Braukonzern Interbev gehört, sieht man das genauso: „Wir brauchen das Reinheitsgebot, und deswegen werden wir daran festhalten.“ Biere wie der mit Zucker versetzte „Schwarze Abt“ aus Neuzelle seien Nischenprodukte und blieben es auch – trotz des Leipziger Urteils, da sind sich die großen Traditionsbrauereien einig. Zehn Jahre dauerte der „Brandenburger Bierstreit“. 1993 hatte Helmut Fritsche die Klosterbrauerei in Neuzelle nahe der polnischen Grenze gekauft. Mit der Übernahme der bundesdeutschen Gesetze begannen dann die Probleme, weil der „Schwarze Abt“ nicht als Bier vertrieben werden durfte. 1995 und 2003 scheiterte Fritsche mit seiner Klage vor dem Verwaltungsgericht in Frankfurt/Oder. Nun gaben ihm die Leipziger Richter Recht: Das Reinheitsgebot von 1516 diene nicht dem Gesundheitsschutz der Verbraucher, sondern vielmehr der Traditionspflege und einem bestimmten Produktionsniveau, hieß es in der Entscheidung. Über Ausnahmen müsse daher großzügig entschieden werden. Der Deutsche Brauer-Bund nimmt den Richterspruch gelassen auf. Zwar sei dadurch das Reinheitsgebot gelockert, aber noch lange nicht aufgehoben worden, sagte Thomas Winzek, Justiziar des Brau-Bundes. Ausnahmeregelungen habe es schon immer gegeben, etwa für Biere, die mit Gewürzen angereichert werden. „Diese Regelung ist nun lediglich erweitert worden“, sagt Winzek. Und das nicht zum ersten Mal. Bereits 1987 hatten Richter gegen das Reinheitsgebot entschieden und ausländischen Brauern erlaubt, ihre Produkte in Deutschland als Bier zu verkaufen – auch wenn Marken wie Miller, Forster“s und Corona nicht ausschließlich aus Gerstenmalz, Wasser, Hopfen und Hefe gebraut sind, wie im Reinheitsgebot vorgeschrieben. Auch damals sei der Untergang der deutschen Brautradition heraufbeschworen worden, weil die Branche befürchtet habe, dass nun ausländische Biermarken den Markt eroberten, sagte Winzek. Doch die Aufregung war umsonst: Heute – fast 20 Jahre später – machen ausländische Marken gerade mal drei Prozent des deutschen Biergeschäfts aus. Die Kloster-Brauer aus Neuzelle hatten sich auf die Sonderbestimmung für ausländische „Biere“ berufen so genannter besonderer Biere zulässt und von einer „Inländerdiskriminierung“ gesprochen, da selbst nach EU-Recht im Ausland hergestellte Getränke auch dann als Bier in deutschen Geschäften vertrieben werden dürfen, wenn sie nicht nach den strengen deutschen Kriterien produziert werden. Nicht nur das Bundesverwaltungsgericht steht dem Reinheitsgebot skeptisch gegenüber – auch Rudolf Böhlke, Biermarktexperte bei der Unternehmensberatung Ernst & Young, hält nicht viel von dem Jahrhunderte alten Gesetz. „Das Reinheitsgebot ist eine Eintrittsbarriere und verhindert Vielfalt auf dem deutschen Biermarkt“, sagte Böhlke. Schließlich hätten viele Biermarken einen ähnlichen Geschmack. Und eine Lockerung des Reinheitsgebotes gäbe den Herstellern die Möglichkeit, beim Brauen kreativer zu werden. Allerdings ist auch Böhlke bewusst, dass nicht nur die deutschen Biertrinker, sondern auch die deutschen Brauer traditionelle Leute sind. Fraglich bleibt, ob sich die Braukonzerne es weiterhin leisten können, auf Traditon zu setzen, denn die fetten Jahre im Biergeschäft sind vorbei. Der Bierkonsum ist seit Jahren rückläufig – mit einem Pro-Kopf-Verbrauch von 115 Litern haben die Deutschen ihren Titel als Weltmeister im Bier trinken längst verloren. Jetzt sind sie Weltmeister im Mineralwasserkonsum. Zudem wird in Deutschland zunehmend Billigbier getrunken. Die Oettinger-Brauerei, die mit rund fünf Euro pro Kasten bundesweit das günstigste Bier produziert, verkaufte im vergangenen Jahr 6,5 Millionen Hektoliter und avancierte damit zur meistgetrunkenen Biersorte. Mit innovativen Produkten hat sich die mittelständische Klosterbrauerei im Ostbrandenburgischen eine Nische auf dem Biermarkt geschaffen. Fantasievolle Bierkreationen setzen sich von den Wettbewerbern ab: Ein mit Sole und Algen angereichertes Bier wird als krebsvorbeugendes „Anti-Aging“ Bier verkauft. Das MarathonBier enthält L–Carnitin, ein vitaminähnlicher Stoff, der Muskeln aufbaut und Fett verbrennt. Außerdem im Angebot: Ein Bier, dass sich auch als Badezusatz eignet. Kernprodukt der Brauerei ist aber der Schwarze Abt - ein mit Zucker versetztes Schwarzbier, das zwei Drittel des Umsatzes von 3,5 bis 4 Millionen Euro ausmacht. Gebraut wird es nach einer alten Rezeptur der Mönche, die im 15. Jahrhundert die Klosterbrauerei gründeten. Jeden Tag verlassen 40 000 Flaschen die Brauerei. Bis nach Südkorea, Russland und die USA reichen die Vertriebswege. Das Urteil von Leipzig ist für den äußerst umtriebigen und einfallsreichen Brauereichef Fritsche eine große Erleichterung: „Die unsicheren Zeiten für die ostdeutsche Braukunst sind jetzt vorbei.“ Ein wenig Kreativität könnte den Traditionsbrauereien also nicht schaden. Oder wie Hans-Joachim Driehaus, Vorsitzende Richter des Bundesverwaltungsgerichts, bei der Urteilsbegründung sagte: „Es ist mit der Jurisprudenz wie mit dem Bier; das erste Mal schaudert man, doch hat man''s einmal getrunken, kann man''s nicht mehr lassen.“
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