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Brandenburg: Der Spaß hat Grenzen

Thorsten Metzner

Stand:

Thorsten Metzner Da hört der Spaß aber auf. Die Kosten für das gerade präsentierte neue Niemeyer-Bad in Potsdam drohen zu explodieren, noch ehe der Bau überhaupt begonnen hat. Fast 50 Millionen Euro würde es also kosten, den Entwurf des brasilianischen Star-Architekten zu realisieren, ein Drittel mehr als geplant. Eine Provinzposse, gar ein Skandal? Sollte, ja muss man nicht sofort die Notbremse ziehen? Zunächst: Ein Niemeyer hat seinen Preis. Und seine in die Havellandschaft geworfenen Glaskuppeln lassen sich eben nicht so einfach mit den Ecken und Kanten der deutschen Bauordnung in Einklang bringen. Niemand bestreitet: Der Entwurf ist in seiner Leichtigkeit spektakulär, er würde exzellent in das Weltkulturerbe passen, sich wohltuend von Provinzialität, Mittelmaß und Baumassen-Wahn zeitgenössischer Bauten à la Potsdam-Center abheben. Es hätte Charme, wenn Niemeyer nach Brasilia, New York, Mailand und Paris auch in der Sanssouci-Stadt ein High-Light verewigen würde, wenn in Potsdam endlich einmal auch zeitgenössische Top-Architektur entstünde – und das auch noch vis-a-vis der rekonstruierten Altstadt der Preußenresidenz. Und trotzdem bewegen sich Potsdams Stadtväter mit dem Spaßbad auf einem extrem schmalen Grat. Denn es ist kein privat oder städtisch finanziertes Projekt, sondern soll zu 80 Prozent vom Land gefördert werden, aus Geldern des Bundes und der EU für den Aufbau-Ost. Es ist somit kein Potsdamer, sondern auch ein Brandenburger Vorhaben, das die Prignitzer, Lausitzer und die Uckermärker mitbezahlen. Darf man in diesen Zeiten so dekadent mit dem knappen Geld umgehen? Potsdam muss aufpassen, nicht die märkische Bodenhaftung zu verlieren: Im Vergleich zum Land ringsum, das immer extremere Probleme zu lösen hat, wo die Randregionen verarmen und entvölkern, schwelgt die Hauptstadt im Luxus: Da baut man ein neues Theater, während anderswo Theater geschlossen werden. Potsdam bekommt sein einst abgerissenes Stadtschloss als neuen Sitz des Landtages auf dem Alten Markt zurück. Und nebenbei wird für rund 30 Millionen Euro auch noch die neue Straßenführung spendiert – fast alles aus der Landeskasse. Und jetzt das Bad. Das Problem: In Potsdam hat sich inzwischen eine Anspruchshaltung herausgebildet, als ob das alles selbstverständlich wäre – was es nicht ist. Und trotzdem gibt es ein Argument, das Niemeyer-Bad zu bauen: Es wird sicher keine Investitionsruine à la Cargolifter oder Chipfabrik. Anders als andere Spaßbäder im Land wird es im boomenden Potsdam gut ausgelastet sein, sicher auch Touristen locken. Insofern wäre es sinnvoll angelegtes Geld, ganz im Sinne der neuen Förderstrategie der Landesregierung, die „Stärken zu stärken“ – wenn, ja wenn die Kosten erträglich bleiben. Das kann nur heißen: Entweder es gelingt Potsdam, das Projekt klug abzuspecken und auf finanzierbare Füße zu stellen. Oder: Wenn das nicht möglich sein sollte, ein Niemeyer-Bad nicht unter 40 Millionen Euro zu haben ist, sollte man es abblasen. In der Sanssouci-Stadt gingen auch dann nicht die Lichter aus. Potsdam kann, selbst wenn dieser Traum platzte, ohne Sorgen sein: Was für paradiesische Zustände.

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