
© Kitty Kleist-Heinrich
Brandenburg: „Der Vorwurf des Klüngels ist absurd“
„Wir haben keine Grundlage, auf der wir mehr als den Durchschnitt einfordern können“ Berlins Senatsbaudirektorin Regula Lüscher verteidigt ihr Baukollegium und fordert eine Wettbewerbspflicht für bedeutende Bauten
Stand:
Abschreckende Neubauten, grob geschnitzte Stadtquartiere – Bürger, Planer und Architekten klagen: Berlin geht die Baukultur verloren. Warum verhindert die Senatsbaudirektorin nicht Bausünden wie das Meininger-Hotel am Hauptbahnhof?
Ich verstehe die Kritik an der Architektur des Meininger-Hotels. Im städtebaulichen Vertrag für dieses Grundstück war verankert, dass ein Wettbewerb durchgeführt werden muss. Doch das Grundstück wurde weiterveräußert und dadurch galt die Verpflichtung nicht mehr. Der Käufer hat dann streng nach Bauordnung gebaut. Nicht zu hoch, nicht zu breit und so, dass es die Umgebung nicht verunstaltet. Wie will ich nun aber juristisch nachweisen, dass dieses Gebäude sehr wohl das Umfeld beeinträchtigt?
Einziger Maßstab für Bauqualität ist, dass die Umgebung nicht verunstaltet wird?
Ja, so steht es in der Berliner Bauordnung. Deshalb ist es verständlich, dass sich Bürger über mittelmäßige oder schlechte Architektur aufregen. Aber wir haben keine gesetzliche Grundlage, auf der wir mehr als den Durchschnitt einfordern können. Das ist in Zürich anders. Da kann die Stadt eine besonders gute architektonische Qualität fordern, etwa beim Bau von Hochhäusern. Damit kann man Investoren konfrontieren und die Durchführung eines Wettbewerbs verlangen oder zumindest die Besprechung eines Entwurfs im Baukollegium. In Berlin gibt es diese gesetzliche Grundlage nicht.
Bei der architektonischen Gestaltung ist also fast alles erlaubt?
Sie muss sich einordnen in den Kontext. Aber das ist ein sehr allgemeines Qualitätskriterium. Wer die planerischen Vorgaben einhält, also nicht zu hoch baut, nicht zu dicht an den Nachbarn heran und die technischen Normen einhält, der kriegt in der Regel eine Baugenehmigung. Dadurch wird aber noch keine herausragende architektonische Qualität, gute Materialien, gute Gestaltung oder gar Innovation erreicht. Deshalb bin ich froh, wenn wir Bauherren davon überzeugen können, wenigstens einen Wettbewerb durchzuführen, um im Vergleich der Projekte den besten Entwurf für den Ort und die Aufgabe zu finden.
Aber es sind keine offenen Wettbewerbe, und deshalb teilen ein paar investorenfreundliche Architekten den Kuchen unter sich auf. Entstehen nicht genau deshalb immer dieselben monotonen Würfel?
Ich verstehe die Forderung gerade der jüngeren und unbekannteren Architekten, durch offene Wettbewerbe eine Einstiegsmöglichkeit in den Markt zu erhalten. Aber es gibt wenige Bauaufgaben, wo der Nutzer auf das Risiko, vor allem aber die Chancen eines offenen Wettbewerbs eingeht. Die Bereitschaft dazu ist unter privaten Bauherren gleich null. Deshalb ist mir ein beschränkter Wettbewerb lieber als gar keiner. Offene Wettbewerbe sind allerdings auch kein Garant für gute Bauqualität, sie führen keineswegs immer zum besten Ergebnis. Interessante Projekte mit einem einzelnen groben Planungsfehler bei der Nutzungskonzeption beispielsweise scheiden schnell aus und erreichen kaum die Endrunde, was oft schade ist. Beschränkte Verfahren oder Verfahren mit mehreren Stufen verhindern dies. Wir nehmen die besten sechs bis acht Entwürfe aus der ersten Stufe des Wettbewerbs mit in die zweite Stufe. In Zwischenbesprechungen werden die Entwürfe den Bedürfnissen angepasst. Dadurch hat ein qualitätsvolles Projekt mit toller Architektur eher eine Chance, sich nach Korrekturen durchzusetzen.
Die ganz jungen Büros, die oft überraschende, innovative Lösungen vorschlagen, bleiben aber oft außen vor. Warum?
Wir können die Planung weniger erfahrener, junger Büros nicht mehr so intensiv begleiten und damit an dieser Stelle keinen Beitrag zur Nachwuchsförderung leisten. Dazu habe ich einen Wettbewerb für Nachwuchsarchitekten ausgelobt, den Urban Intervention Award. Außerdem verlangen die Investoren Referenzen von Architekten. Wer ein Hotel baut, will am liebsten ein Büro beauftragen, das immer schon Hotels gebaut hat. Deshalb lassen sich Investoren, wenn überhaupt, nur auf Verfahren unter Beteiligung altbewährter professioneller Architekten ein. Und weil Wettbewerbe ohnehin auf freiwilliger Basis stattfinden, kann die Verwaltung nichts dagegen tun. Es gibt kein Gesetz, das die Durchführung eines Wettbewerbs vorschreibt. Das müssen wir ändern. Um bessere Baukultur und Bauqualität zu bekommen, braucht es außerdem Instrumente. Deshalb will ich eine dritte internationale Bauausstellung. Das Land kann mit der IBA Einfluss auf die Qualität der Architektur nehmen und mit Partnern Exzellenz entwickeln an Orten, für die der Senat nicht explizit zuständig ist.
Stattdessen werden Projekte im Baukollegium hinter verschlossenen Türen verhandelt. Einige sagen, da wird gekungelt.
Der Vorwurf des Klüngels ist absurd. Es dient dem Schutz der Architekten, des Projektes und der Bauherren, wenn ihr Projekt in einer frühen Phase noch nicht in aller Öffentlichkeit diskutiert wird. Viele Investoren haben selbst das Bedürfnis nach Vertraulichkeit wegen der Konkurrenz auf dem Markt. Es sitzen fünf externe Architekten im Baukollegium. Die haben keine politische Agenda. Die schauen sich die Projekte fachlich an und diskutieren sie. Die Investoren können auf die Kritik reagieren. Dadurch entsteht ein wertvoller Dialog. Vor meiner Zeit wurde das etwas anders gemacht. Jetzt wird im Baukollegium diskutiert und davon profitieren alle: Investoren, Architekten und Bezirke. Wenn jemand für Dialog steht, dann bin ich das. Und die Dialogkultur bringt uns Baukultur.
Das Gespräch führte Ralf Schönball.
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