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NACHNUTZUNG: Der Wolf ist schon da Leichtflugzeuge über dem Bombodrom

Übungsplatz-Gegner wollen Altmunition suchen – Bundes-SPD will weiter gegen die Militärnutzung sein

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Die Kyritz-Ruppiner Heide ist Wolfsrevier. Mindestens ein Tier soll dauerhaft auf dem Bombodrom leben, Das bestätigte gestern Jens Teubner, Leiter der Naturschutzstation Zippelsförde den PNN. Zu den Beweisen zählen Bilder einer Fotofalle vom April und Dezember vergangenen Jahres sowie der Fund von Wolfskot. Zudem sprächen gerissenes Rotwild und typische Spuren im Schnee für das Wolfsvorkommen.

Teubner ist davon aber nicht überrascht, das so genannte Bombodrom sei ideal für Wölfe, dort gäbe es genügend ruhige Rückzugsräume, wie überhaupt ganz Ostdeutschland als Lebensraum geeignet sei. „Das ist potenzielles Wolfsland“, so Teubner. In Sachsen seien inzwischen fünf und in der Lausitz ein Rudel mit Jungtieren unterwegs – und „die suchen sich ein neues Territorium“. Einiges spreche dafür, dass es auch in Spree-Neiße vier Tiere gibt. Zuletzt sei ein junger Wolf aus Sachsen in der Gegend von Jüterbog (Teltow-Fläming) nachgewiesen worden. Allein an einem Tag hätte das Tier eine Entfernung von 75 Kilometern Luftlinie zurückgelegt.

Obwohl der Wolf in der EU den höchsten Schutzstatus genießt, müssen die Pläne der Bundeswehr für ein Luft-Boden-Schießplatz nicht daran scheitern. So leben in Sachsen auf dem Truppenübungsplatz Muskauer Heide in Sachsen trotz militärischer Nutzung ebenfalls Wölfe. axf

Wittstock – Mit Leichtflugzeugen wollen Gegner des Luft-Boden-Schießplatzes bei Wittstock (Ostprignitz-Ruppin) das Areal auf Alt-Munition sowjetischer Truppen untersuchen – und so auf die touristische Nutzung vorbereiten. Doch die Bundeswehr sperrt sich dagegen.

„Wir können nicht akzeptieren, das 14 000 Hektar als verbrannte Erde betrachtet werden sollen und nicht genutzt werden können“, sagte Klaus Günther gestern den PNN. Er ist Vize-Vorsitzender der Unternehmerinitiative Pro Heide, die sich gegen die Pläne des Bundesverteidigungsministeriums auf dem sogenannten Bombodrom ausspricht –- und genau weiß, was in der Kyritz-Ruppiner Heide möglich wäre: „Hierzu zählen insbesondere die touristische Erschließung für Fahrrad- und Reittourismus und Naturbeobachtung, aber auch Beweidung, Energieholzgewinnung und Heidemahd“, sagte Günther.

Bereits vor einem Jahr hätten Vertreter des Vereins und des Landkreises ihre Pläne im Ministerium vorgestellt und vor zwei Monaten in einem Brief darum gebeten, den früheren sowjetischen Truppenübungsplatz vorab betreten zu dürfen. Bislang ist nichts geschehen. „Pro Heide verurteilt diese Hinhaltetaktik“, erklärte Günther gestern. Benedikt Schirge von der Bürgerinitiative „Freie Heide“ sagte, die Bundeswehr verhindere die Untersuchung darauf, wie stark der Platz überhaupt mit Munition belastet ist. Denn das sei keineswegs klar.

Ende April hatte das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) eine Revisionsklage des Ministeriums abgeschmettert und damit in dem seit 17 Jahren dauernden Streit Tiefflüge sowie den Abwurf von Übungsbomben in der Kyritz-Ruppiner Heide untersagt. Experten rechnen damit, dass die Bundeswehr in Berufung geht und vor das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zieht. Falls nicht zuvor die Politik die Bombodrom-Pläne kassiert, wäre mit einem endgültigen Urteil erst Mitte 2010 zu rechnen.

So lange will die Initiative Pro Heide nicht warten und die Berliner Firma Aerosondierung in die Heide schicken. Dort soll dann ein Ultraleichtflugzeug im extremen Tiefflug das Gelände auf Munition in bis zu einem Meter Tiefe untersuchen. Entsprechende Funde – ab zehn Kilogramm schweres Metall wie bei Granaten – würden mit diesem Verfahren als GPS-Daten gespeichert, belastete Flächen wären relativ schnell kartiert. „Wir könnten dann recht einfach Flächen und Wege für den Tourismus freigeben und Warnschilder aufstellen. Die Sondierung kostet bis zu 300 000 Euro, herkömmliche Verfahren das hundertfache“, meint Günther. Üblich ist die Suche mit terrestrischen Magnetfeldern, Geräten also, wie sie Minensucher nutzen.

Sorgen bereitet den Bombodrom-Gegnern ausgerechnet die Natur. „Die Heide wächst immer mehr zu“, meint Günther. Seit dem Abzug der Sowjetarmee im Jahr 1993 werde die Landschaft nicht mehr gepflegt. Naturschützer warnen vor einer „Verbuschung“, die Kiefern wachsen schnell, für die Aerosondierung sind sie an manchen Stellen heute schon zu hoch.

Dabei lässt die Bundeswehr an einigen Stellen schon eine Nutzung zu: Imker dürfen dort stehen, zum Teil Schafe, auch Jagdgesellschaften sind dort zu Gange, Anwohner berichten von „feinen Herren“ in dunklen Limousinen. Allein von 1999 bis 2007 nahm der Bund knapp 750 000 Euro für die Jagd ein und 2,9 Millionen Euro für Holz. Insgesamt waren es mehr als 3,7Millionen Euro. Dem stehen seit 1997 Kosten von mehr als 50 Millionen Euro gegenüber, das meiste für Personal, aber auch für Verwaltung und stellenweise Kampfmittelberäumung. Offiziell peilt das Verteidigungsministerium eine Summe von 250 Millionen Euro für die bisher von Gerichten untersagte Inbetriebnahme des Schießplatzes samt großflächiger Munitionsräumung an. „Freie Heide“-Sprecher Schirge meint: „Das Bombodrom wird rege genutzt. Es muss viele Stellen geben, die ungefährlich sind. Aber die Bundeswehr will sich nicht in die Karten sehen lassen.“

Eine Chance für sich sieht in Sachen Bombodrom auch die wahlkämpfende Bundes-SPD wieder: Sie spricht sich wieder einmal für die Aufgabe des Bombenabwurfplatzes aus. Der Rechtsstreit um das „Bombodrom“ müsse beendet und die militärische Nutzung eingestellt werden, heißt es nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur im neuen SPD-Wahlprogramm. SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier hatte sich bereits kürzlich für einen Ausstieg aus dem Vorhaben ausgesprochen. Aber die Bundespartei hatte schon auf ihrem Hamburger Parteitag beschlossen, für den Verzicht zu sein. Dies blieb auch unter Kanzlerkandidat und Außenminister Steinmeier bislang ebenso folgenlos wie das Versprechen des damaligen SPD-Kanzlerkandidaten Rudolf Scharping. Der hatte sich 1994 ebenfalls für die zivile Nutzung des Areals ausgesprochen, dies aber dann als Bundesverteidigungsminister selbst nicht durchgesetzt; sein Nachfolger Peter Struck, heute Chef der Bundestagsfraktion, tat dies auch nicht. Im Gegenteil: Struck, unter dem sich auch keine Mehrheit gegen das Bombodrom in der Fraktion fand, lehnt die zivile Nutzung offen ab.

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