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Brandenburg: DIE AKTE

Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) hat Gerlinde Stobrawa als Inoffizielle Mitarbeiterin (IM) „Marisa“ geführt. Die Akte von IM „Marisa“ muss im Herbst 1989 auf dem Schreibtisch eines ihrer beiden Führungsoffiziere gelegen haben und dann eiligst vernichtet worden sein.

Stand:

Das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) hat Gerlinde Stobrawa als Inoffizielle Mitarbeiterin (IM) „Marisa“ geführt. Die Akte von IM „Marisa“ muss im Herbst 1989 auf dem Schreibtisch eines ihrer beiden Führungsoffiziere gelegen haben und dann eiligst vernichtet worden sein. Zu „Marisa“ selbst gibt es bei der Stasiunterlagen-Behörde BStU nur einen angerissenen Aktendeckel sowie Schnipsel eines Umschlags. Laut einem Vorgangsheft des Führungsoffiziers war „Marisa“ bis zum Ende aktiv – der letzte Vermerk ist vom August 1989.

Auf zwei Registerkarten („F 16“ und „F 22“) ist Stobrawa ab 21. September 1987 mit Namen und Geburtsdatum sowie Geburtsort registriert. Ende März 1988 wurde „Marisa“ als IMS („Inoffizieller Mitarbeiter Sicherheit“) registriert, im Januar 1989 dann zum IME ernannt, ein „Inoffizieller Mitarbeiter im besonderen Einsatz“ – „zur Lösung spezieller politisch-operativer Aufgaben“. „Marisa“ wurde von der Hauptabteilung XX/2 geführt (Überwachung von Staatsapparat, Kultur, Kirche und Untergrundkräften). Ein weiterer Beleg für Stobrawas IM-Tätigkeit findet sich in Akten über einen damaligen Kollegen im Rat des Bezirkes Frankfurt. Als „leitender Staatsfunktionär“ war dieser als „politisch indifferent“ aufgefallen, das MfS setzte eine „Operative Personenkontrolle“ (OPK) unter dem Decknamen „Stellvertreter“ an. Laut Maßnahmenplan vom Juni 1988 galt der Einsatz des IMS „Marisa“ der „Aufklärung der tatsächlichen politischen Grundhaltungen und des Persönlichkeitsbildes“ und der „Dokumentierung negativer Einflussnahme“ auf Mitarbeiter ihrer Abteilung im Rat des Bezirkes. Zudem war über „Marisa“ „der private Umgangskreis“ der Zielperson „zu personifizieren und zu überprüfen“. Laut MfS- Oberleutnant Stolzman meldete IM „Marisa“, ihr Kollege habe gesagt: „Der Parteisekretär des Rates des Bezirkes ist ein ,Arsch’“, der Parteigruppenorganisator ein „dummes Schwein“ und Parteiversammlungen seien „totaler Ruß“. Zudem sagte „Marisa“ über den Kollegen, der sei überheblich und „sehr stark materiell interessiert“, dessen politische Grundhaltung „äußerst zweifelhaft“. Außerdem verweigere er die Ausbildung in der Kampfgruppenhundertschaft. In diesem Papier sowie zwei Abschriften von auf Tonband gesprochenen Berichten vermerkte Oberleutnant Stolzmann stets: „Der IM berichtete auftragsgemäß.“ Alexander Fröhlich

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