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Von Claus-Dieter Steyer: Die alten Deiche weichen auf

Bei Ratzdorf hielt ein Damm dem Druck nicht stand, schnelle Hilfe verhinderte Schlimmeres. In den Straßen Frankfurts steht das Wasser

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Ratzdorf - Die Meldung des Deichläufers um 5 Uhr früh an das Hochwassermeldezentrum klang dramatisch: „Riss des Dammes am Kilometer 4 auf schätzungsweise 75 Metern. Wasser drückt durch.“ Den Fachleuten genügte ein Blick auf die Landkarte, um sofort Alarm auszulösen. Der gemeldete Schadensort befand sich in der Neuzeller Niederung, kurz hinter Ratzdorf am Zusammenfluss von Oder und Neiße, und betraf einen noch nicht sanierten Deichabschnitt. Nun musste es schnell gehen, um eine Überflutung der Region zu verhindern. „Rund 150 Angehörige des Technischen Hilfswerks machten sich sofort ans Werk“, schilderte der Landrat des Kreises Oder-Spree, Manfred Zalenga, die brenzlige Situation. „Mit Reisigbündeln und Hunderten Sandsäcken dichteten sie in fünf Stunden die schadhafte Stelle ab. Nun dürfte nichts Schlimmes mehr passieren.“

Wie sich herausstellte, hatten sich die Grasnarbe und der darunter liegende Mutterboden auf einer Höhe von 50 bis 60 Zentimetern vom übrigen Deichkörper gelöst und waren heruntergerutscht. Das Wasser hielt sich nur noch wenige Zentimeter unter der Barriere und hätte überschwappen oder den restlichen Deich wie Schmierseife wegschieben können. So aber verhinderte der aufmerksame Deichläufer eine mögliche Katastrophe.

Noch etwa zehn Prozent der 160 Kilometer langen Brandenburger Oderdeiche sind seit dem letzten Oderhochwasser 1997 nicht erneuert worden. „Unseren neuen Dämmen kann so ein Abrutschen einzelner Teile nicht passieren“, versicherte der Chef des Landesumweltamtes, Professor Matthias Freude. „Da stecken komplizierte Filteranlagen drin, die der Flut den Druck nehmen.“ Der Bau eines neuen Deiches kostet pro Kilometer etwa anderthalb bis zwei Millionen Euro.

Die bisher recht gelassenen Einwohner von Ratzdorf gerieten angesichts der Schadensmeldung doch in Unruhe. „Der alte Deich war von Anfang an ein kritischer Punkt“, sagte Bürgermeisterin Ute Petzel. „Bei einem Deichbruch wäre unser Ort sozusagen von hinten vollgelaufen. Da hätte uns der neue Damm nicht viel genützt.“

Bereits teilweise unter Wasser steht der Ortsteil Fürstenberg von Eisenhüttenstadt und der südliche Ortsteil von Frankfurt rund um den Buschmühlenweg. Stellenweise erreicht das Wasser eine Höhe von 40 Zentimetern. Während die Anwohner ihre Häuser mit Sandsäcken schützen, funktioniert die Kanalisation nicht mehr. Die Stadt hat daher mobile Toiletten auf den Gehwegen aufgestellt. „Kurz nach dem Hochwasser vor 13 Jahren hatte der damalige Oberbürgermeister eine Barriere vor den Oderwiesen versprochen“, erzählte ein Anwohner in einer kurzen Pause beim Sandsackfüllen. „Geschehen ist nichts.“ Aber im Vergleich zu 1997 stehe das Wasser im Buschmühlenweg etwa einen halben Meter niedriger.

Weil ein normaler Pkw nicht mehr fahren könnte, hat das Rote Kreuz einen Shuttle-Dienst mit einem Geländefahrzeug entlang dem drei Kilometer langen Straßenzug eingerichtet. Am Vormittag wurden erst die Schulkinder eingesammelt, später nutzten auch andere Bürger das Angebot. Die Fahrer haben sich auf einen mindestens viertägigen Einsatz eingerichtet. Bis dahin soll der Pegel, der am Nachmittag zum Stehen kam, sinken.

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