Brandenburg: „Die Chipstüten bleiben zu!“
16 Ein-Euro-Kräfte sorgen als Schulbusbegleiter im Landkreis Havelland für mehr Sicherheit
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Nauen – „Setz'' dich bitte hin - und den Ranzen absetzen!“ Freundlich, aber bestimmt weist Jürgen Kükel den neunjährigen Leon zurecht. „Die Chipstüten bleiben zu!“ Auch bis in die hinterste Reihe des vollen Busses reicht das wachsame Auge des 53-Jährigen. Er ist einer von 16 Schulbusbegleitern im brandenburgischen Havelland und gehört damit zu einer äußerst seltenen Spezies in Deutschland – zum Bedauern des Bundesverbandes der Deutschen Omnibusunternehmer. „Es wäre sehr wünschenswert, wenn es zur Sicherheit aller Beteiligten überall Schulbusbegleiter gäbe, uns sind aber bundesweit nur sehr wenige regelmäßige Projekte bekannt“, sagt Martin Kaßler, der für die Öffentlichkeitsarbeit des Verbandes zuständig ist.
So fahren nach seinen Angaben in Recke (Nordrhein-Westfalen) Neuntklässler als Buslotsen mit, und im bayerischen Marktredwitz organisiere eine Schule Busbegleiter. „Auch Versuche mit Eltern oder Rentnern gab es immer mal sporadisch“, meint Kaßler. Zumeist scheiterten die Projekte aber an der Finanzierung. Die Zahl der Schulbusunfälle sei in den vergangenen Jahren zwar drastisch gesunken. Doch wenn es dazu komme – wie Ende 1999 in Altlandsberg – sei das Entsetzen groß.
Damals starben vier Kinder und der Busfahrer - ein zwölfjähriger Schüler hatte nach Ermittlungen der Staatsanwaltschaft das Unglück ausgelöst, weil er mit dem Fuß versehentlich den Feststellhebel des Fahrersitzes löste. Dagegen hieß es in einem anderen Gutachten, der Busfahrer habe sich nach rangelnden Kindern umgesehen und die Kontrolle verloren. „Unruhe im Bus kann ein auslösender Faktor für Unfälle sein, genaue Statistiken gibt es aber nicht“, sagt der Busexperte des Deutschen Verkehrssicherheitsrates, Jürgen Bente.
„Auf jeden Fall machen Schulbusbegleiter Sinn, um die Verkehrssicherheit zu erhöhen.“ Das dachte sich auch die Kreisverkehrswacht Havelland: „Der Unfall von Altlandsberg hat uns aufgerüttelt, wir mussten doch etwas tun“, erzählt Dietmar Kratzsch vom Vorstand. Und so wurde Anfang 2000 das „Projekt Busbegleitung“ geboren - bis heute ist es einer der wenigen bundesweiten Vorreiter.
Täglich fahren 16 Ein-Euro-Kräfte auf den Linien der Havelländischen Verkehrsgesellschaft mit, die Schüler stark nutzen. Die Erfahrungen sind ausnahmslos positiv. „Eltern freuen sich über geordnete Verhältnisse in den Bussen, die Fahrer über mehr Sicherheit und das Verkehrsunternehmen über saubere Fahrzeuge“, so Kratzsch. Die Busbegleiter sollen darauf achten, dass die Kinder sitzen bleiben, der Lärmpegel in Maßen bleibt oder Sitze nicht beschmiert werden.
Zusammen mit Dieter Wunderlich steht Kükel an diesem Morgen von 5.55 Uhr an im Bus, der während der nächsten zweieinhalb Stunden Kinder und Jugendliche zu verschiedenen Schulen bringt. Drängt wieder eine Gruppe an einer Haltestelle herein, sorgen die Begleiter für Ordnung. „Ich bin froh, dass ich nicht mehr ein Auge auf der Straße und eines im Rückspiegel haben muss“, sagt Busfahrer Heinz-Jürgen Gartenschläger. Auch der neunjährige Leon meint: „Wenn die Busbegleiter nicht wären, gäbe es hier Chaos.“
Imke Hendrich
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