Brandenburg: Die Eheprobleme des Ex-Bürgermeisters
Im Mordprozess gegen Heinrich Scholl sagte der Sohn vor dem Landgericht Potsdam aus
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Potsdam - Im Mordprozess gegen den Ex-Bürgermeister von Ludwigsfelde, Heinrich Scholl, hat dessen Sohn am Dienstag vor dem Landgericht Potsdam von Eheproblemen seiner Eltern berichtet. Der SPD-Kommunalpolitiker, der fast 18 Jahre lang als großer Macher in der 24 000-Einwohner-Stadt galt, soll seine Ehefrau erdrosselt haben. Mit brüchiger Stimme beschrieb der 48-jährige Bauingenieur, wie er seine Mutter am 29. Dezember 2011 gemeinsam mit seinem Vater und einem Freund der Familie im Wald gesucht hatte – und deren Leiche fand.
„Da standen zwei schwarze Slipper-Schuhe“, schilderte der Sohn die Suche nach der Mutter. „Dann habe ich zwei kleine Füße gesehen.“ Neben der Leiche der Mutter lag der Kadaver ihres Cockerspaniels. „Mein Vater ist kreideweiß geworden, sonst wirkte er recht emotionslos“, sagte der 48-Jährige. Ähnlich schilderte es ein Freund und Nachbar des Ehepaares, der sich am Tag nach dem Verschwinden der Frau mit dem Ex-Bürgermeister und dessen Sohn auf die Suche nach der Vermissten machte. „Die Schuhe standen da, als sollten sie gefunden werden“, sagte er. Während der Sohn nach dem Fund der Leiche in Tränen ausgebrochen sei, wäre bei Scholl eine gewisse Betroffenheit, aber keine übermäßige Regung zu erkennen gewesen.
Scholls Sohn tritt im Prozess als Nebenkläger auf. Nachdem er von seinem Vater weder bis zur Beerdigung noch später bei Besuchen in der Haftanstalt Antworten auf seine Fragen bekam, habe er sich zur Nebenklage entschlossen, sagte der 48-Jährige. Sein Vater habe lediglich gesagt: „Du wirst schon alles erfahren.“ Er habe eine andere Reaktion, einen „Aufschrei der Unschuld“ erwartet, sagte der Sohn. Er habe seinen Vater aufgefordert, „auszuflippen, eine Reaktion zu zeigen“. Doch der blieb verschlossen. Scholl junior betonte, dass er mit der Nebenklage nicht in den „Krieg gegen seinen Vater“ gezogen sei, sondern die Wahrheit erfahren will.
Der Sohn sprach von Eheproblemen seiner Eltern und einer thailändischen Geliebten des Vaters, die Geldbeträge bis zu 5000 Euro gefordert habe. Er sprach über Scholls Wohnung in Berlin und die monatlich 1000 Euro Miete. Finanzielle Probleme habe es nicht gegeben. „Mir war schon klar, die Ehe ist kaputt“, so der 48-Jährige. Es sei mehr eine „Zweckgemeinschaft“ mit getrennten Schlafzimmern gewesen. Lauten Streit habe es nie gegeben. „Alles plätscherte so vor sich hin.“ Bereits in Scholls Amtszeit als Bürgermeister sollen sich die Eltern voneinander entfernt haben. „Meine Mutter hat darunter gelitten, dass ihr Mann praktisch 18 Jahre nicht zu Hause war“, sagte der Sohn. Wenige Wochen vor dem Tod der Mutter habe der Vater die Wohnung in Berlin aufgegeben. Er habe gesagt, die Affäre sei beendet.
Auch das Buch mit erotischen Fantasien, dass der Ex-Bürgermeister geschrieben hat, sprach der Sohn an. Er glaube, seine Mutter als Metapher in dem Buch erkannt zu haben, auch Parallelen zu einer Liaison mit einer Rathaus-Mitarbeiterin seien zu deuten. Er habe die Lektüre als langweilig empfunden, „es geht nur um Sex und Rotwein“. Aufgeschreckt habe ihn die Textstelle, in der ein Mann einen anderen fragt, ob dieser schon einmal an Scheidung gedacht habe: „An Scheidung nie, an Tod schon“, heißt es sinngemäß.
Die Tage nach dem Tod der Mutter waren laut Scholl Junior geprägt von der Sprachlosigkeit des Vaters. Unmittelbar nach der Beerdigung sei der 69-Jährige auch in hektische Aktivität verfallen, habe Schmuck, Pelze und Möbel aufteilen und verkaufen wollen. Den Sohn befremdete, dass er Handy- oder Bahncard-Verträge kündigen sollte. „Ich hatte den Eindruck, als räumt da jemand sein Leben auf und verstand nicht warum“, sagte der Sohn. Peter Könnicke (mit dpa)
Peter Könnicke (mit dpa)
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