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Brandenburg: „Die Elbe bleibt gefährlich“

Chef des Landesumweltamtes warnt vor Flutwellen und Eisschollen / Prignitzer Deiche nach Flut 2002 saniert

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Lenzen - Es war ein Kampf um Zentimeter: Bei der Jahrhundertflut auf der Elbe im Jahr 2002 stieg das Wasser in der Prignitz am Pegel Wittenberge bis auf 7,34 Meter. Die Deichanlagen sind für einen Wasserstand von 7,45 Meter ausgelegt. Eine Katastrophe wie in Sachsen konnte nur knapp verhindert werden. Doch mussten dafür unter anderem die Landwirte im Havelland bluten. Denn der Elbe-Pegel konnte nur deshalb unter 7,45 Meter gehalten werden, weil die Havel Niedrigwasser führte und ein Teil des Elbehochwassers über den Nebenfluss in die Havelpolder abgelassen werden konnte.

Umkämpft waren die Deiche in der Prignitz auch, weil es zur Zeit des Hochwassers unter anderem bei Cumlosen eine Baustelle gab. Der Deich war dort abgetragen worden, um eine neue Anlage zu errichten. „Das war ein neuralgischer Punkt“, blickt der Cumlosener Bürgermeister Harald Pohle (SPD) zurück.

Inzwischen ist der Deich saniert. Die rund 1000 Einwohner der vier Cumlosener Ortsteile fühlen sich wieder sicher, betont Pohle. Der Deich sei in „1-A-Qualität“ hergerichtet worden. Beim jüngsten Hochwasser im April 2006 habe sich die Anlage bereits bewährt. Obwohl der Pegel damals nur fünf Zentimeter unter dem Rekord von 2002 lag, gab es keine Sickerstellen oder Durchfeuchtungen.

Der gefährlichste Ort bei der Jahrhundertflut 2002 war jedoch der so genannte Böse Ort, wie der Präsident des Landesumweltamtes, Matthias Freude, betont. Am Bösen Ort machte die Elbe damals einen scharfen Knick. Das Wasser drückte in der 90-Grad-Kurve besonders stark auf die Deiche. Es gab zahlreiche Sickerstellen. Die Verteidigung dieses Deichabschnitts kostete laut Freude allein rund eine Million Euro. Hunderte Helfer schichteten damals mehr als eine halbe Million Sandsäcke auf und verstärkten den Damm.

Heute ist der Böse Ort sozusagen kein solcher mehr. Seit 2005 läuft dort ein bundesweit einmaliges Hochwasser-Schutzprojekt. Der Deich wurde zurückverlegt und die scharfe Kurve fast vollständig begradigt. Die Deichrückverlegung bringt im Hochwasserfall einen um fast 30 Zentimeter niedrigeren Wasserspiegel. Der neue Deich schützt nicht nur 3800 Menschen, 1400 Hektar Winterpolder sowie Industrie- und landwirtschaftliche Anlagen. Auf der Deichkrone gibt es zudem einen 1,60 Meter breiten Radweg. Zudem entstehen mehr als 400 Hektar Auenlandschaft als potenzieller Überflutungsraum. Die Kosten für die Bauarbeiten, die 2008 vollständig abgeschlossen werden sollen, belaufen sich auf rund 14 Millionen Euro.

Insgesamt wurden in der Prignitz zwischen 2002 und Ende 2006 rund 57 der insgesamt 76 Kilometer Elbdeich saniert und ausgebaut. Die Anlagen sind jetzt im Schnitt 70 Zentimeter höher und etwas breiter als 2002. Mehr als 45 Millionen Euro wurden insgesamt investiert.

„Wir sind einen großen Schritt vorangekommen“, sagt die Baudezernentin des Amtes Lenzen, Margit Hülsebeck, mit Blick auf die Arbeiten an den Schutzwerken. Die Bevölkerung sei erleichtert. Dennoch sei nicht ausgeschlossen, dass das Wasser bei der nächsten Jahrhundertflut über die Deiche tritt.

Bei der Flut 2002 habe die Prignitz Glück gehabt. Nicht immer sei es möglich, Wasser über die Havel abzuleiten. Zudem sei die Katastrophe in Brandenburg auch deshalb ausgeblieben, weil bereits in Sachsen Deiche geborsten seien. So sei auf den Brandenburger Elbabschnitten weniger Wasser angekommen.

Auch Umweltamt-Präsident Freude warnt: „Die Elbe bleibt gefährlich.“ Abgesehen von neuen Hochwassersituationen könnten andere Phänomene für unvorhersehbare Schäden sorgen. So sei 2003 eine „extrem gefährliche Situation“ entstanden, als sich in der Elbe Grundeis gebildet habe. Das Eis habe sich gelöst und sei in Form von Eisschollen den Fluss entlang getrieben. Dabei hätten die Schollen wie Kreissägen gewirkt und die Deiche bis zu zwei Drittel aufgeschnitten. Die Zerstörung eines Deichabschnitts in der Prignitz sei erst in letzter Sekunde verhindert worden, indem Bauarbeiter Betonplatten zwischen die Schollen und den Deich gestellt hätten.

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