zum Hauptinhalt

Brandenburg: Die Fußfessel entfernt

Ob der Angriff von Rafik Y. islamistisch motiviert war, ist noch unklar

Von

Stand:

Berlin - Der 41-jährige Rafik Y. war auf freiem Fuß , galt aber weiterhin als gefährlich. Er war 2008 zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden, nachdem er zusammen mit Komplizen einen Mordanschlag auf den damaligen irakischen Ministerpräsidenten Ijad Alawi geplant hatte. Daher hat der Islamist unter Führungsaufsicht gestanden und eine elektronische Fußfessel getragen. Doch an diesem Donnerstagmorgen hat er sie entfernt. Am Ende des Tages war er tot – und eine Polizistin schwer verletzt.

Laut Angaben von Polizeisprecher Stefan Redlich war gegen 9.50 Uhr ein Notruf bei der Berliner Polizei eingegangen. Der Anrufer sagte, ein Mann laufe in Spandau mit einem Messer durch die Heerstraße und bedrohe Passanten. Mehrfach soll er ihnen die Klinge an den Hals gehalten haben. Laut Polizei handelte es sich um ein Klappmesser mit einer neun Zentimeter langen Klinge. Diese Waffe wurde neben dem Getöteten sichergestellt.

Vier Funkwagen wurden losgeschickt. Als die erste Streife gegen 10 Uhr an der Ecke Heerstraße/Pichelsdorfer Straße ankam, entdeckten sie den Mann. Eine Polizistin (44) und ein Polizist (36) stiegen aus und forderten den Mann auf, die Waffe wegzulegen. Stattdessen rannte der Mann auf die Polizeibeamtin zu und attackierte sie mit dem Messer. Er verletzte sie im Hals- und Schulterbereich. Daraufhin eröffnete ihr Kollege aus seiner Dienstwaffe das Feuer. Nach Angaben der Ermittler wurden drei bis vier Schüsse auf den Mann abgegeben. Der Mann wurde zwei Mal getroffen, unter anderem im Bauchbereich, und starb im Rettungswagen.

„Der junge Mann lag am Boden, direkt vor der BVG-Bushaltestelle", berichten Augenzeugen, die um 10 Uhr am Tatort vorbeigekommen sind. "Überall parkten Polizeiautos, Krankenwagen eilten herbei, dann wurde die Straße gesperrt." Ersthelfer hätten sich um die Verletzten gekümmert. Die Polizeibeamtin wurde ebenfalls von einer Kugel aus der Dienstwaffe ihres Kollegen getroffen. Sie liegt auf der Intensivstation. Sie schwebte zwischenzeitlich in Lebensgefahr, inzwischen soll ihr Zustand aber stabil sein. Sie war bis zum Abend "nicht vernehmungsfähig". Die Polizistin war mit dem Rettungshubschrauber ins Krankenhaus gebracht worden. Außerdem waren ein Notarzt und drei Rettungswagen im Einsatz. "Ich bin in Gedanken bei der verletzten Beamtin und hoffe, dass sie schnell und vollständig gesund wird", teilte Innensenator Frank Henkel (CDU) mit.

Nach seinen Angaben hatten die Behörden versucht, Rafik Y. nach Verbüßung seiner Haftstrafe in den Irak abzuschieben. „Dies war nicht möglich, weil aufgrund des Umstandes, dass ihm bei einer Rückkehr in den Irak wegen der Beteiligung an dem Attentat die Verhängung und Vollstreckung der Todesstrafe drohe, ein rechtliches Abschiebungsverbot bestand.“

Rafik Y. lebte nach Angaben von Ermittlern seit Verbüßung seiner Haftstrafe in Berlin, zuletzt in einem von der Arbeiterwohlfahrt (Awo) betreuten Wohnheim in Berlin-Spandau, dem Vernehmen nach im Ortsteil Hakenfelde. Er war als arbeitslos gemeldet. Als er durch die Entfernung seiner elektronischen Fußfessel am Donnerstagmorgen einen Alarm auslöste, seien Polizeibeamte zu seiner Wohnung gefahren, trafen ihn jedoch nicht an. Dann überschlugen sich die Ereignisse.

Inzwischen wurde seine Wohnung durchsucht, Beweismaterial wurde sichergestellt. Gefragt, wieweit die Taten am Donnerstag als islamistisch motiviert einzustufen sein, sagten die Ermittler: „Das ist zu früh zu sagen, ausschließen können wir es aber auch nicht.“ Wenn man die Vorgeschichte von Rafik Y. kenne, wäre das „ein Stück weit konsequent“. „Derzeit sind die Hintergründe noch nicht klar", sagte Innensenator Henkel. Es gebe „einige Anhaltspunkte, die gegen ein geplantes Vorgehen sprechen“. Bei der Vorgeschichte von Y. könne eine religiöse Motivation nicht ausgeschlossen werden. „Die Ermittlungen laufen in alle Richtungen.“

Timo Kather, Frank Jansen

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })